Xella : Ein Vorreiter im Bereich der digitalen Planung zur Umsetzung von Bauprojekten

 Digitalisierung ist in der Baubranche in aller Munde. Jeder spricht von der Baustelle 4.0, auf der BAU wurden dieses Jahr zahlreiche Innovationen diesbezüglich vorgestellt – doch wie sieht es in der Praxis wirklich aus? In wie vielen Betrieben in Deutschland gehört BIM zum Alltag und ist Digitalisierung an der Tagesordnung? Als einen Vorreiter im Bereich der digitalen Planung zur Umsetzung von Bauprojekten sieht sich die Unternehmensgruppe Xella. Mit über 7 100 Mitarbeitern ist die Xella Gruppe einer der führenden, international agierenden Lösungsanbieter im Bereich Baustoffe und in verwandten Industien. Mit den Marken Ytong, Silka und Hebel gehört Xella zu den weltweit größten Herstellern von Porenbeton und Kalksandstein. Die Marke Multipor steht für nicht brennbare mineralische Dämmplatten. Mit Ursa ist Xella einer der führenden europäischen Dämmstoffhersteller. Weit vorn ist die Unternehmensgruppe auch, wenn es um Digitalisierung geht. Wir haben dazu mit dem Digital Building Solution & Transformation Manager, Andreas Radischewski, gesprochen.

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Von: Christine Seif

Digitale Lösungen werden die Zukunft des Bauens prägen, da sind sich Experten einig. Doch Deutschland hinkt im internationalen Vergleich hier noch etwas hinterher, auch diese Meinung teilen die meisten Fachleute. Doch wer jetzt nicht die Weichen für die digitale Zukunft stellt, kann später vor großen Problemen stehen. Besonders für kleinere und mittelständische Unternehmen ist BIM und Co noch ein Fremdwort und auch bei den großen Playern wird dem Thema nicht immer die Aufmerksamkeit geschenkt, die es verdient hätte. Doch neben dem fehlenden Engagement ist es oft auch das Wissen, die Manpower oder das Budget, das für die Digitalisierung fehlt.

In Sachen Digitalisierung vorn mit dabei

Eine Vorreiterrolle möchte hier die Unternehmensgruppe Xella einnehmen. Früher habe sich das traditionelle Geschäftsmodell eines Baustoffherstellers auf die Entwicklung, Produktion sowie den Vertrieb von spezifischen Baustoffen konzentriert, heißt es in einer Mitteilung von Xella. Doch die Zukunft sehe anders aus: Die Ansprüche der Kunden würden aufgrund von regulatorischen, ökologischen und finanziellen Anforderungen immer komplexer. Das hat man bei Xella erkannt und investiert seit einigen Jahren verstärkt in Digitalisierung. Die Verantwortlichen sehen darin eine Chance, Leistung und Service zu steigern und die Kundenbeziehung weiter zu verbessern. Das beginnt bereits beim klassischen Vertrieb und reicht bis zur kompletten Projektplanung. Analoge Baustoffe mit digitalen Dienstleistungen zum Nutzen der Kunden zu verbinden ist das Ziel. Hier setzt auch der digitale Planungsservice »blue.sprint« an. Damit sollen Bauvorhaben von Beginn an einfacher, schneller und kostengünstiger gemacht werden. Doch was genau st »blue.sprint»? Wir haben mit Andreas Radischewski gesprochen, er ist Digital Building Solution & Transformation Manager bei Xella.

Herr Radischewski, Sie sind zuständig für den digitalen Planungsservice »blue.sprint« – was können wir uns darunter vorstellen? Und für wen ist dieser Planungsservice konzipiert?

Bei der digitalen Planung beraten wir unsere Kunden immer auf der Grundlage eines Gebäudemodells. Dies umfasst insbesondere die Beratung zur Optimierung von Materialauswahl und -alternativen, von Statik, Bauphysik und Wirtschaftlichkeit. Die Nutzung von ›blue.sprint‹ ist für alle Gebäude­typen geeignet. Unser Planungsservice richtet sich an all unsere Kunden, insbesondere an Planer, Generalunternehmer und Projektentwickler.

Welche konkreten Vorteile ergeben sich aus diesem Service – zum einen für Sie als Hersteller, zum anderen für den Planer bzw. Bauherren?

Durch unsere ganzheitliche Betrachtung des digitalen Gebäudezwillings in einer frühen Planungsphase befähigen wir unseren Kunden, ihr Bauprojekt bestmöglich umzusetzen, sprich das Bauvorhaben von Beginn an einfacher, schneller und kostengünstiger zu realisieren.

Durch das Angebot digitaler Dienstleistungen erweitern wir nicht nur unsere Wertschöpfungskette, sondern differenzieren uns damit auch von unseren Wettbewerbern. Wir liefern nicht mehr nur Baustoffe, sondern komplette Lösungen für unsere Kunden.

Wie ist der genaue Ablauf in diesem Planungsprozess, wie kann man sich das vorstellen?

Der Kunde übergibt uns das Gebäudemodell, optimaler Weise in einem frühen Planungsstadium. Wir nehmen dann die Optimierung vor und kontrollieren die fortschreitende Planung und die Änderungen im IFC-Modell. Das Feedback wird dann zeitnah digital über das BCF-Protokoll (BIM Collaboration Format) kommuniziert; das ist unsere Datenschnittstelle zum Austausch der Information. Im weiteren Projektverlauf nimmt Xella die Elementierung vor und integriert so weitere Details wie Stürze, Mörtelschichten, Eckverbindungen, U-Schalen etc. In einer fortgeschrittenen Planungsphase bieten wir auch eine Kollisionsprüfung mit anderen Gewerken an.

Die Digitalisierung im Bauhandwerk steckt in Deutschland noch immer in den Kinderschuhen – wird »blue.sprint« aktuell in dem Maße genutzt, wie Sie erhofft haben?

Seit dem Start dieses Dienstleistungsangebots machen wir deutliche Fortschritte. Die Resonanz ist grundsätzlich sehr positiv, wir verzeichnen ein exponentielles Wachstum in diesem Bereich. Wir sehen aber auch, dass die Mehrheit unserer Kunden noch nicht BIM basiert plant – hier gibt es noch viel Potenzial.

Welche Erfolge haben Sie seit dem Start von »blue-sprint« bereits erzielt und welche Ziele streben Sie an?

Wir haben bereits international zahlreiche Bauprojekte mit ›blue.sprint‹ umgesetzt. Darunter Projekte wie die Stadtentwicklung ›Tivoli Green City‹ in Brüssel mit 500 Einheiten, ein Seniorenheim in Weert (Niederlande) oder den Marissa Ferienpark am Dümmer See mit 500 Wohnimmobilen. Durch die Nutzung von ›blue.sprint‹ können wir die Rohbauzeit deutlich reduzieren, was wiederum zu deutlichen Kosteneinsparungen führt. Insgesamt wurden im letzten Jahr gruppenweit rund 18 Prozent des Xella Umsatzes durch digitale Services generiert. Dies wollen wir kontinuierlich steigern.

Viele Ihrer »Vorzeige«-Projekte sind im Ausland – inwieweit ist BIM in Deutschland bereits angekommen und wie denken Sie, wird sich die Digitalisierung in Deutschland im Bauhandwerk entwickeln?

Auf Kundenseite beobachten wir zwei Lager: Insbesondere die größeren Unternehmen sehen den deutlichen Nutzen und sind digital sehr affin, andere bauen weiterhin traditionell – und das durchaus erfolgreich. Dennoch bin ich sicher, dass in spätestens fünf Jahren kein größeres Bauvorhaben ohne digitale Planungstools und Dienstleistungen umgesetzt wird.

Welche Gründe stecken dahinter, dass Deutschland in der Digitalisierung noch etwas »hinterherhinkt«?

Grundsätzlich scheint es in Deutschland die Mentalität zu geben, bei Trends erst einmal abzuwarten, ob sich neue Verfahren und Prozesse durchsetzen. Als ein Land der Normen und Standards tun wir uns mit agilen und neuartigen Prozessen offensichtlich sehr schwer. Kostendruck und Wirtschaftlichkeit verlangen aber über kurz oder lang ein Umdenken, hier können wir mithilfe digitaler Planungswerkzeuge enorme Verbesserungen erreichen.


Aktuell wird BIM überwiegend bei großen Bauvorhaben eingesetzt – denken Sie, BIM wird in absehbarer Zeit auch im privaten Hausbau realistisch sein?

Aktuell liegen die Vorteile insbesondere im seriellen Bau, für das individuelle Einfamilienhaus sind die Investitionskosten derzeit noch zu hoch. In Zukunft werden wir auch hier infolge der schnellen und günstigeren Technologisierung immer mehr Vorteile erzielen.

Die Technik ist das eine, die passende Anwendung das andere – gibt es überhaupt ausreichend fähige Mitarbeiter in den Unternehmen, die mit BIM umgehen können und wollen?

Architekten und Planer mit BIM-Erfahrung sind momentan in Deutschland noch schwierig zu finden. Aber dies wird sich im Laufe der Zeit ändern, da auch in der Ausbildung verstärkt auf den Umgang und die Nutzung von BIM-Modellen gesetzt wird. Wir haben unser Team jedenfalls europaweit deutlich verstärkt und freuen uns darüber, dass wir unseren jungen Kollegen ein Arbeitsumfeld bieten können, in dem sie die Entwicklung der Branche aktiv mitgestalten können.

Was tut Xella dafür, um neben der ­Technik auch für die kompetente Anwendung zu ­sorgen? Gibt es Schulungen etc.?

Wir investieren enorm in die Schulung unserer Mitarbeiter sowohl im technischen Bereich als auch im kaufmännischen Vertrieb. Die Vertriebskollegen müssen zwar nicht programmieren können oder digitale Gebäudemodelle umsetzen, aber um unsere Kunden optimal beraten zu können, müssen sie wissen, wie unsere digitalen Dienstleistungen funktionieren und welche enormen Vorteile diese für den Kunden mit sich bringen.

Sie gehen mit Xella noch einen Schritt weiter und bieten bereits BIM via »Augmented Reality Brille« an – erklären Sie uns, wie das genau funktioniert und welche Vorteile diese Methode mit sich bringt?

Bei der Anwendung der ›Hololens‹ wird das 3D-Modell als Hologramm auf die Brille übertragen und vor Ort direkt auf die Baustelle projiziert. Das stellt den korrekten Aufbau z. B. des Mauerwerks sicher, liefert Informationen über die nächsten Arbeitsschritte und lässt die papierlose Baustelle Realität werden.

In der Brille werden das digitale Gebäudemodell und der reale Rohbau übereinander gelegt. So kann z. B. die Schlitz- und Durchbruchsplanung viel effizienter durchgeführt und überprüft werden. Außerdem kann man bei Rückfragen ganz einfach die Mitarbeiter aus dem Service Center auf die Brille schalten. Der Kollege aus dem Büro hat dann über die in die Brille integrierten Kameras den gleichen Blick auf die Baustelle und kann sofort Hilfestellung leisten.

Was für Feedback haben Sie in diesem ­Bereich erhalten?

Das Feedback bei der Vorstellung dieser Technologie reicht von überwältigt bis skeptisch. Aber so ist es bei der Einführung neuer Technologien immer. Daher führen wir unseren Kunden diese Technologie nicht nur auf Messen und Seminaren vor, sondern auch live auf der Baustelle. Ein solcher Event findet in Deutschland erstmalig Ende September in Kassel statt. Das vom Bund geförderte Projekt ›Variowohnen Kassel‹ wurde mit Unterstützung von ›blue.sprint‹ geplant und befindet sich gerade in der Umsetzungsphase. Hier werden wir die ›Hololens‹ und deren Nutzen live vorführen.

Sie investieren bei Xella viel Manpower und damit auch finanziellen Aufwand in die Digitalisierung, welche Intention steckt dahinter?

Die feste Überzeugung, dass die Digitalisierung der Baubranche unumgänglich ist. Wer jetzt nicht die Weichen stellt, der verpasst den Anschluss. Daher investieren wir nicht nur in digitale Services wie ›blue.sprint‹, sondern auch in zahlreiche weitere Services und Applikationen.

Noch eine generelle Frage – was gehört für Sie zur Baustelle 4.0 dazu und mit welchen Maßnahmen können auch kleinere Firmen bzw. mittelständische Unternehmen den Anschluss an das digitale Zeitalter nicht verpassen?

Grundsätzlich sind wir uns unserer Rolle als Marktführer und damit unserer Verantwortung für die Branche bewusst: Wir haben die kritische Größe und damit bessere Möglichkeiten, digitale Anwendungen zu entwickeln und marktfähig zu machen. Wir stellen unsere Digital-Services grundsätzlich all unseren Kunden und Geschäftspartnern zur Verfügung. So können auch kleine und mittelständische Unternehmen von diesen Entwicklungen profitieren.

Die Baustelle 4.0 ist bei einigen unserer Kunden bereits Realität. Das Gebäude- bzw. Datenmodell ist die Grundlage für den kompletten Wertschöpfungsprozess von der Planung bis zur Fertigstellung und darüber hinaus. Dies ist ein Effizienzgewinn, an dem sich in Zukunft alle am Bau beteiligten Akteure messen lassen müssen.    J

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