Keimfarben: Ausdruck der Lebensfreude wiederhergestellt

Als konsequenter Bau des »Neuen Bauens« gehört das Panoramabad in Adelboden wohl zu den schönsten alpinen Freibädern der Schweiz. Das seit 2009 im Bauinventar des Kantons Bern als schützenswert ­eingestufte Bauwerk erstrahlt nun wieder in seiner ursprünglichen farbigen Klarheit. Dem bunten Bad in den Bergen verleihen Farben von Keimfarben seine damalige Aufbruchstimmung nun wieder.

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Beda Hefti war zu Beginn der 1930er-Jahre ein Schweizer Schwimmbadexperte mit überregionaler Erfahrung in diesem Bereich. Als entwerfender Ingenieur war Hefti darin bestrebt, bei seinen modernen Freibädern den neuen Baustil in Einklang mit seinem Ingenieurwissen zu bringen. So strebte Hefti immer nach technischen Lösungen für einen sparsameren Umgang mit Materialressourcen. Er setzte auch die Farbe als gleichwertiges Gestaltungsmittel neben der eigentlichen gebauten Architektur ein.

Das Panoramabad in Adelboden zieht seinen Reiz aus dem Zusammenkommen bautechnischer Meisterschaft und mediterraner Ferienstimmung. In einem direkt am Becken angelegten Sandstrand sonnten sich einst die Gäste in angeblich originalem Mittelmeersand. Die dahinter aufgereihten Bauten waren mit kräftigen, original Keim’schen 2K-Reinmineralfarben gestrichen. Auf den Flachdächern wurde Wasser für das Schwimmbecken vorgewärmt. Der Sprungturm, der das Bad überragte, war Ausdruck der Virtuosität des Ingenieurs. Das Bauwerk ist auf mehreren Ebenen – Setzung in Topografie, Materialwahl, Form und Farbe, Ausstattung – integral als ein Ganzes durchdacht und gestaltet.


Rückbesinnung auf den Entwurf und das Konzept von Beda Hefti

Bis zwanzig Jahre nach der Bauvollendung blieb das Schwimmbad praktisch unverändert. Aufgrund der vielen Algen wurde jedoch der Sandstrand in den 1950er-Jahren entfernt. Die Betonüberdeckung der Armierungseisen war in den 1930ern noch minimal – was rasch zu Korrosionsschäden am Beton führte. In Aufnahmen von 1962 sieht man bereits einen Sprungturm aus Stahl. Der ursprünglich betonierte Sprungturm wurde demnach bereits früh abgerissen. Im Jahr 1974 musste der Musikpavillon weichen, nachdem das weit auskragende Betondach eingeknickt war. Anfang der 1980er-Jahre wurde das kreisrunde Kinderbassin – der einst wichtige Kontrast zum ehemaligen Kegel des Pavillons – durch ein unregelmäßig geformtes Becken ersetzt. Die Garderobennischen wurden zugemauert und die runden Duschen außer Betrieb gesetzt.

Die letzte umfassende Sanierung des Bads war im Jahr 2004. Damals wurde das 50-Meter-Becken auf ein Kleinbecken von 25 m Länge reduziert. Auf der übrigen Fläche wurde ein provisorisches Sonnendeck auf Deckenstützen montiert. Durch das neue Sonnendeck wurde wiederum der stählerne 5-Meter-Sprungturm obsolet und rückgebaut. Sämtliche Oberflächen wurden mit einer Dispersionsfarbe überstrichen, ohne den originalen Farbtönen Beachtung zu schenken.

Wiederbelebtes Geheimnis des «kristallinen Leuchtens»

1919 propagierte der Deutsche Werkbund in seinem »Aufruf zum farbigen Bauen« die Farbe als »Ausdruck von Lebensfreude«. Als Alternative zur traditionellen, eher blassen Kalktünche ermöglichte die Silikattechnik, die Ende des 19. Jahrhunderts von Adolf Wilhelm Keim für Mineralfarben entwickelt wurde, leuchtend bunte Fassadenanstriche. Farbuntersuchungen im Adelbodner Bad haben gezeigt, dass die originale, sehr bunte Farbigkeit unter der neueren Dispersionsfarbschicht erhalten ist und dass die originalen Mineralfarben dem Keim-Farbenblock von 1928 entsprechen, der heute wieder erhältlich ist. Damit die ursprüngliche Farbigkeit wieder zur Geltung kommt und die originalen Putz- und Betonflächen restauriert und aufgefrischt werden konnten, musste der mittlerweile unansehnlich blätternde Dispersionsanstrich früherer, unsachgemäßer Farbsanierungen vollständig entfernt und die korrodierten Armierungseisen sachgemäß instand gesetzt werden. Endlich konnten allen Hochbauten die ursprüngliche Keim’sche Farbigkeit und der Ausdruck der damaligen Lebensfreude zurückgegeben werden.   J

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