Institut Bauen und Umwelt e. V. »Wir brauchen Transparenz, damit wir vergleichen können« – Ökobilanz eines Gebäudes mit EPDs darstellen

Pressemitteilung | Lesedauer: min | Bildquelle: Institut Bauen und Umwelt
Von: Christine Seif

Institut Bauen und Umwelt Das Thema nachhaltiges Bauen ist so präsent wie noch nie und in aller Munde. Auf der BAU in München wird es sich ebenfalls wie ein roter Faden durch das Programm ziehen – das zeigen unter anderem die vier Sonderschauen, die alle das Thema Nachhaltigkeit beeinhalten. Selbstverständlich wird darauf auch bei zahlreichen Ausstellern der Fokus liegen. Einer dieser Aussteller ist das Institut Bauen und Umwelt, kurz IBU. Mit mehr als 200 Unternehmen und Verbänden schreibt sich das IBU auf die Fahne, der größte Zusammenschluss von Herstellern der Baustoffindustrie zu sein, der sich für nachhaltiges Bauen stark macht. Doch was ist das IBU eigentlich und was tut es genau? Wir haben mit dem aktuellen geschäftsführenden Vorstandsmitglied Dipl.-Ing. Hans Peters gesprochen – darüber was das IBU ist, was es tut und wie es für mehr Nachhaltigkeit bei Gebäuden sorgen möchte.

Nachhaltiges Bauen ist in den vergangenen Jahren immer stärker in den Fokus gerückt. Das Institut Bauen und Umwelt hat sich diesem bereits seit über drei Jahrzehnten verschrieben. 1980 gegründet, verfolgt die Institution seitdem, die Nachhaltigkeit im Gebäudesektor voranzutreiben. Hervorgegangen ist das IBU aus der Arbeitsgemeinschaft Umweltverträgliches Bauprodukt e. V. (AUB). Die Umbenennung erfolgte 2008 und seit 2013 befindet sich die Geschäftsstelle des IBU in Berlin. »Wir haben über 200 Mitglieder, darunter Unternehmen und Verbände aus mehr als 20 Nationen. Und wir alle haben ein gemeinsames Ziel, das Bauen nachhaltiger zu gestalten. Natürlich gibt es bei so vielen Mitgliedern aus den unterschiedlichsten Sparten auch viele verschiedene Meinungen. Daher haben wir eine große Vorstandschaft, denn die 12 Vorstandsmitglieder repräsentieren genau diese Vielfalt innerhalb der Baustoff- und Bauproduktbereiche«, so Dipl.-Ing. Hans Peters. Er leitet derzeit zusammen mit Dr. Roman Rupp den Verein.

 

Dipl.-Ing. Hans Peters Geschäftsführer Institut Bauen und Umwelt
»Unser Motto ist ›Von den Pionieren hin zur Normalität‹. Wir wollen zeigen, dass ökologische Information etwas Alltägliches geworden ist – und zwar sowohl mit Vorteilen für den Hersteller als auch für  den Planer und den Bauherren.«

EPDs: Mosaiksteinchen des gesamten Projekts

Hauptaufgabe des IBU ist die Veröffentlichung von sogenannten EPDs, »Environmental Product Declarations«, sprich Umwelt-Produktdeklarationen. »Bereits vor 20 Jahren hat das IBU damit begonnen, Umweltproduktdeklarationen herauszugeben. Dabei handelt es sich um eine rein informative Analyse des Bauprodukts in ökologischer Hinsicht«, so Peters weiter. Das IBU möchte keine subjektive Bewertung abgeben, sondern lediglich transparent aufzeigen, wie das Produkt einzugliedern ist. »Es gibt 37 Faktoren, die in einer EPD ermittelt werden, Treibhausgase und Energieverbrauch sind dabei die relevantesten. Wichtig ist uns, dass der gesamte Lebenszyklus des Produkts betrachtet wird – nur so kann wirklich verglichen und Gebäude oder Bauteile bewertet werden.«

Doch was genau ist eine EPD, diese Frage ist gar nicht so einfach in einen Satz zu packen, denn es ist ein komplexer Prozess, der darin aufgezeigt wird. »Eine EPD ist eine nach ganz bestimmten Regeln durchgeführte und dokumentierte Ökobilanz eines Bauprodukts. Praktisch ein Mosaiksteinchen für die Berechnung der Ökobilanz eines Gebäudes. Man rechnet die gesamten elementaren Emissionen und den Ressourcen-Verbrauch über den gesamten Lebenszyklus eines Produkts zusammen – und das wird dann in den 37 Kriterien zusammengefasst und in einer Matrix dargestellt.«

Das IBU hat einen vielfältigen Blick auf die Bauindustrie und ihre Produkte: das Ziel ist immer die Förderung der Nachhaltigkeit im Bausektor.

Früher war die Erstellung einer EPD noch ein sehr aufwendiger Prozess, da man sich für jedes einzelne Produkt jeden einzelnen Faktor ansehen musste. Mitte der 90er-Jahre hat das IBU dann damit begonnen, die ersten Datenbanken zu entwickeln und so wurden dann generische Daten ermittelt, wie zum Beispiel für Beton oder Ziegel.

Europäisches Format als Meilenstein

EPDs wurden vom IBU in den vergangenen Jahren immer weiter entwickelt und optimiert. Als Meilenstein nennt Peters die Einführung eines europäischen Formats. »Wir sind das Scharnier zwischen den Anwendern der Daten und der Bauprodukte-Hersteller. Bei den Nutzern haben wir sehr gute Erfolge, besonders seit wir das euopäische Format eingeführt haben, sozusagen der Standard für maschinenlesbare Datenformate. Unser Ziel ist es, dass spätestens in vier Jahren alle EPDs in diesem Format zur Verfügung stehen.

Digitalisierung als logischer, wichtiger Schritt

Ganz aktuell macht das IBU den Schritt in die Digitalisierung, ein logischer und sehr wichtiger Schritt, denn dadurch soll das ganze System noch mehr Akzeptanz, Transparenz und Vereinfachung erfahren. »Wir haben vor einigen Tagen eine neue Software eingeführt, mit der die Digitalisierung der EPDs völlig automatisiert  stattfindet. Die Digitalisierung ist aber noch für einen weiteren Aspekt sehr wichtig. Es gibt unzählige Bauprodukte, für die wir EPDs erstellen wollen. Teils unterscheiden sich diese nur in einigen Faktoren. Bisher war es dennoch ein hoher Aufwand, differenzierte EPDs zu erstellen. Das soll mit einer geeigneten Software deutlich vereinfacht werden. So stellt man dort ein Ökobilanz-Modell zur Verfügung, in dem dann nur noch einzelne Bausteine geändert werden müssen – automatisch wird dann die komplette EPD erstellt. So können wir die EPD dem Kunden dann sehr schnell für sein Produkt bzw. seine Produktpalette zur Verfügung stellen.«

Einen weiteren Vorteil sieht Peters hinsichtlich der Digitalisierung auch im gesamten Projekt. »Nur wenn das gesamte System in sich schlüssig ist, kann ein Vergleich innerhalb der Systeme stattfinden – auch das ist digital relativ einfach möglich.«

Welche Faktoren in eine EPD mit einfließen, ist vielfältig und geht oft weit über die Aspekte hinaus, die auf der Hand liegen. Dipl.-Ing. Hans Peters hat hier ein gutes Beispiel: »Bei einem Bodenbelag zum Beispiel ist ein Aspekt, ob er glatt oder rau ist – ein glatter benötigt weniger Reinigungsmittel und kann daher auf Dauer nachhaltiger sein.«

Die eigenen Hebel finden, um es besser zu machen   

Doch nicht nur für den Anwender sind EPDs wichtig und sinnvoll, auch der Hersteller profitiert von der Analyse seiner eigenen Produkte. »Zum einen sind Unternehmen sehr bestrebt, ihren eigenen ökologischen Fußabdruck zu optimieren. Zum anderen kann dies für den Hersteller auch Hebel aufzeigen, um Dinge besser zu machen: zum Beispiel durch die Steigerung der Energieeffizienz im Werk, durch die Auswahl der Zulieferer und so weiter«, so Peters.

Aktuell befinden wir uns in einer Phase, in der Bauen gerade relativ teuer ist und einige Hersteller klagen bereits seit Monaten, teils Jahren über Preissteigerungen und Kosten-Explosionen. Können wir uns nachhaltiges Bauen und eine Optimierung der Ökobilanz denn gerade überhaupt leisten? Die Antwort von Dipl-Ing. Hans Peters lautet ganz klar »Ja«! »Eine Dokumentation der nachhaltigkeitsrelevanten Zahlen mag anfangs etwas teurer sein, aber wir haben hier zwei Faktoren, die das Thema beeinflussen werden. Zum einen wurde bereits viel geprüft, was bedeutet, dass es immer einfacher wird. Zum anderen werden die Firmen merken, dass sie über die Analyse ihrer Produkte Einsparungen vornehmen können, indem sie die schlechten Faktoren optimieren. So können sie zum Beispiel den Preis halten, weil sie in anderen Bereichen einsparen können. So ist nachhaltiges Bauen an sich gesehen nicht teurer.« Aber auch für den Bauherren kann sich ein Blick auf dieses Thema lohnen. Denn das IBU beachtet mit seinen EPDs die gesamten Lebenszyklus-Kosten. So können Produkte mit kurzer Lebensdauer eventuell vermieden werden und so wird gegebenenfalls die gesamte Konstruktion deutlich langlebiger.


Aus den Kinderschuhen herauswachsen

Auch wenn Nachhaltigkeit gerade das Thema in der Baubranche ist, steckt es oftmals noch in den Kinderschuhen. Peters erhofft sich hier künftig auch einen Impuls aus der Politik. »Schön wäre es, wenn die öffentliche Hand vorangehen und dieses Thema fördern würde, bzw. auch gewisse Anforderungen an eigene Bauprojekte stellen würde. Wir brauchen Leuchtturm-Projekte, die zeigen, was möglich ist, und die als Vorbild dienen und Möglichkeiten aufzeigen, um die Nachhaltigkeit auch in den Standard-Bau hineinzutragen.« Auch hier sieht Peters in der Digitalisierung enormes Potenzial, denn dann ist es noch einfacher, dass EPDs zum Standard werden können.   

Anfang des Jahres hat das IBU ein Rekordniveau der Nachfrage nach EPDs verkündet. Mit mehr als 385 000 Zugriffen auf die digitalen Datensätze von EPDs verzeichnete das Institut Bauen und Umwelt 2022 einen neuen Höchststand. Die Zukunft sieht das IBU aber nicht in einer weiteren Steigerung der Downloads, sondern in einer automatisierten Verbreitung. »Wir entwickeln die EPDs ständig weiter und auch, wie wir den ›ökologischen Rucksack‹ eines Produkts verbreiten können. Ziel ist es, die Daten direkt mit den Baumaterialien mitzuliefern, damit ein separater Download gar nicht mehr nötig ist. So sollen sich die Daten dann auf den Homepages der einzelnen Hersteller oder in Datenbanken der Planungsbüros befinden.« Wie in einem Art Baukasten-System, aus dem dann alle Teile relativ schnell und unkompliziert zusammengesetzt werden können und die transparente Ökobilanz des gesamten Projekts ergeben.

IBU freut sich auf die BAU in München

Auf der BAU in München ist IBU auch mit einem eigenen Stand vertreten. Dort will Peters mit seinem Team verbreiten, dass EPDs mittlerweile zur Standard-Methode geworden sind. »Auf der BAU sind die Firmen, die kommunikativ aktiv sind, und mit denen wollen wir ins Gespräch kommen. Wir bieten an, dass man zu uns kommt, aber auch, dass wir die Firmen an deren Stand besuchen. EPDs müssen auch von den Firmen aktiver dargestellt werden, und um das zu erreichen, ist so eine Messe ein hervorragender Platz. Daher freuen wir uns schon sehr auf die BAU und darauf, mit vielen Menschen ins Gespräch zu kommen«, so Peters abschließend.

 

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