Hirsch Servo: Österreichische Ideenschmiede auf europäischem Expansionskurs

Die Hirsch Servo Gruppe feiert in diesem Jahr ihr 50. Firmenjubiläum. Mit einem rasanten Expansionskurs hat sich das österreichische Unternehmen in den letzten Jahren zum größten EPS-Dämmstoffhersteller Europas entwickelt. Daneben produziert das Unternehmen Verpackungen sowie Maschinen und Anlagen für die EPS-Industrie. baustoffPARTNER sprach mit Vorstand Harald Kogler – der die Hirsch Servo Gruppe in den letzten Jahren völlig neu aufgestellt hat – über seine Unternehmensstrategie, die gute Zahlungsmoral in Deutschland sowie die Pläne für die Zukunft.

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Das Jahr 2014 markiert eine tiefe Zäsur in der mittlerweile 50-jährigen Firmengeschichte der Hirsch Servo Gruppe. Das zu der Zeit angeschlagene Unternehmen aus Glanegg / Kärnten erhielt mit der Wiener Herz-Gruppe nicht nur einen neuen Hauptaktionär, der inzwischen 90 Prozent der Anteile hält, sondern mit Harald Kogler auch einen neuen Vorstand. Mit dem erfahrenen Industriemanager Kogler sollte das Unternehmen so richtig Fahrt aufnehmen.

Zu den ersten Aufgaben Harald Koglers gehörte es, das Unternehmen mithilfe einer neuen Hausbank finanziell neu aufzustellen, Verlustbringer zu stoppen und mit klaren Entscheidungen das Vertrauen der Kunden zurückzugewinnen. 2014 waren der Dämmstoff- und Verpackungsbereich bei Hirsch etwa gleich groß. Kogler setzte einen klaren Fokus auf das Dämmstoffgeschäft, weil er dort das deutlich größere Wachstumspotenzial sah, nicht zuletzt wegen der Bedeutung der Dämmstoffindustrie für die Energieeffizienz im Wohnungsbau. Heute erwirtschaftet die Hirsch Servo Gruppe 70 Prozent ihrer Umsätze mit Dämmstoffen, 20 Prozent mit Verpackungen und 10 Prozent mit dem Maschinenbau. »Das Dämmstoffgeschäft ist ein viel gesünderes, es gibt viele unterschiedliche Kunden, im Verpackungsbereich haben wir dagegen nur wenige Großkunden«, erläutert Harald Kogler die wesentlichen Unterschiede.

Deutschland-Expansion als Glücksgriff

Um das vor allem lokal organisierte Dämmstoffgeschäft anzukurbeln, mussten neue Standorte erschlossen werden. Nachdem das Unternehmen schon länger in Ungarn, Rumänien, der Slowakei und Polen präsent war, leitete Harald Kogler 2017 eine neue Phase der Expansion ein. Neben einem starken Ausbau der Werke in Rumänien eröffnete Hirsch erstmals eine Produktion in der Ukraine. 2018 folgte schließlich der Schritt auf den deutschen Markt, der vielen Unternehmen in Österreich als Exportmarkt Nr. 1 gilt. »Für jeden Österreicher ist es das Schönste, etwas in Deutschland zu machen«, unterstreicht Harald Kogler. Das Engagement sollte dann auch zum absoluten Glücksfall für die Hirsch Servo Gruppe werden. Harald Kogler konnte drei Standorte von Saint-Gobain Isover übernehmen sowie vier Standorte von ­Isobouw. Gemeinsam mit dem deutschen Isover-Team unter Leitung von Christian Grimm gelang es, die beiden Unternehmen schnell zusammenzuführen. Ein ­Isobouw-Standort wurde wegen einer regionalen Überschneidung mit einem anderen Standort an den deutschen Mitbewerber Karl Bachl weiterverkauft. Von Anfang an setzte Harald Kogler in Deutschland auf ein gemischtes Management-Team aus beiden Firmen. »In jedem unserer Auslandsmärkte arbeiten wir ausschließlich mit lokalen Teams, wir schicken keine Manager aus Österreich in andere Länder«, so Harald Kogler zu seinem Erfolgsrezept. »Der EPS-Dämmstoffmarkt ist ein lokaler Markt, mit lokalen Kunden und lokalen Netzwerken.« Deutschland ist in kürzester Zeit zum wichtigsten Exportmarkt der Hirsch Servo Gruppe geworden und sorgte für eine Umsatzverdoppelung des Unternehmens. Einen wichtigen Grund nennt Harald ­Kogler auch: »Die deutsche Zahlungsmoral ist die beste der Welt.« Hinzu komme, dass die Bautätigkeit in Deutschland auch während der Corona-Pandemie ungebremst weiterlief.

Dass Hirsch Servo in Deutschland angekommen ist, macht Harald Kogler auch an einer anderen Tatsache fest: »Die schönste Anerkennung für mich ist, dass viele deutsche Dämmstoffproduzenten ihre Produktionsmaschinen bei uns kaufen.« Das unterstreicht, dass sich die Dämmstoffindustrie in den letzten Jahren generell auf Wachstums- und Investitionskurs befindet. »2020 / 2021 waren die bisher besten Jahren für uns«, resümiert Harald Kogler. Nur zum Vergleich: Lag der Hirsch Servo-Umsatz im Geschäftsjahr 2017 / 2018 noch bei 114 Mio. Euro, erzielte das Unternehmen mit rund 31 Produktionsstandorten in Europa zum abgelaufenen Geschäftsjahr (bis 31. März 2022) einen Umsatz von 425 Mio. Euro. Dazu beigetragen hat auch das 2019 übernommene Frankreich-Geschäft, nach Deutschland mittlerweile der zweitgrößte Markt der Hirsch Servo Gruppe.


Die Expansion ist damit aber noch lange nicht abgeschlossen. Aktuell sei man an Projekten dran, die die Hirsch Servo Gruppe bis nach Skandinavien führen. Auch den Balkan und Italien hat Harald Kogler im Blick. Gerade in Italien werde derzeit die Haussanierung so stark gefördert, dass man gar nicht genug Dämmstoffe liefern könne.

Engagement für die Ukraine

Mit dem enormen Dämmstoffboom konnte die Hirsch Servo Group auch die massiven Preissteigerungen bei den Rohstoffen bislang gut kompensieren. Doch gerade der Krieg in der Ukraine betrifft das Unternehmen unmittelbar. Wie erwähnt, hatte man 2017 dort einen Produktionsstandort in Tscherkassy am Dnepr eröffnet. Noch vor Kriegsbeginn erwarb das Unternehmen ein Grundstück für ein zweites Dämmstoffwerk in Lwiw (Lemberg). Harald Kogler wird bei diesem Thema sehr emotional: »Am ersten Kriegstag habe ich alle Geschäftsbeziehungen mit Russland und Belarus abgebrochen.« Außerdem nahm man die Familiie des ukrainischen Geschäftsführers in Klagenfurt auf, nachdem dessen Haus ausgebrannt war. Die Aktivitäten werden jetzt von einem neuen Büro in Lwiw gesteuert, die Produktion in Tscherkassy kann zum Glück weiterlaufen. Auch das neue Werk in Lwiw soll gebaut werden, sobald es die Situation zulässt. »Ich wünsche mir für die Ukraine eine ähnliche Entwicklung wie in Rumänien, das inzwischen unser drittstärkster Markt ist«, so Harald Kogler.

Um für die Zukunft gerüstet zu sein, will Harald Kogler weiter durch Zukäufe wachsen, aber auch in bestehende Standorte investieren – und zwar zwischen 20 und 30 Mio. Euro pro Jahr. Das gilt auch für die Firmenzentrale in Glanegg unweit von Klagenfurt, dem Ursprung der Hirsch Servo Gruppe. Hier ist der Maschinenbau, also die Technologieschmiede beheimatet, dazu ein Dämmstoff- und ein Verpackungswerk. Hier wurde auch vor zwei Jahren ein neues Verpackungskonzept entwickelt, das auf thermogeformten Papierfasern beruht. Mit den in Glanegg produzierten Verpackungen aus reinem Altpapier unterstreicht Hirsch Servo seine Ambitionen in puncto Ökologie und Kreislaufwirtschaft – für Harald Kogler das wichtigste Thema neben den Investitionen in bestehende und neue Standorte. Gerade der Dämmstoffmarkt sei prädestiniert dafür, das Recyclingthema voranzubringen, so ­Kogler. Durch das europaweite Netzwerk an Produktionsstätten könne man die Rohstoffe am jeweiligen Standort sammeln und an die Recyling­anlagen zurückführen. Die EPS-Dämmstoffbranche mit über tausend Werken in Europa helfe dabei, den CO2-Fußabdruck durch kurze Transportwege und Aktionsradien gering zu halten. Daneben betreibt Hirsch Servo in Tschechien eine eigene Recyclinganlage, die 2000 t gesammeltes Styropor pro Jahr in den Kreislauf zurückführen könne.

»Expandieren mit Ideen« lautet der für die letzten Jahre wohl treffende Unternehmensslogan der Hirsch Servo Gruppe. Auf die Frage, in welcher Unternehmenskultur diese Ideen gedeihen, antwortet Harald Kogler: »Ich glaube, man muss als Vorstand authentisch sein, immer ein offenes Ohr und ein Herz für die Mitarbeiter haben. Und Vertrauen ist für mich sehr wichtig, dann kann ich auch loslassen. Vertrauen ist in meiner Karriere selten missbraucht worden. Im Gegenteil – ich habe viel Leistung und unternehmerisches Handeln von meinen Mitarbeitern zurückbekommen.«   J

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