Zentralverband des Deutschen Baugewerbes: Rohstoffknappheit bringt Baustellen bereits zum Erliegen

Seit dem vierten Quartal 2020 sind deutliche Preissteigerungen bei verschiedenen Baumaterialien zu verbuchen – auch in Kombination mit erheblichen Lieferengpässen. Die Situation hat sich im ersten Halbjahr 2021 weiter zugespitzt und gerade in den Bereichen Stahl, Dämmstoffe und Holz stehen die Bauunternehmer und Betriebe vor unternehmensbedrohlichen Herausforderungen. Im Jahresvergleich April 2020 zu April 2021 verzeichnet die Branche nach Angaben des Statistischen Bundesamtes Preiszuwächse bei Holz um ca. 27 bis 35 Prozent, bei Dieselkraftstoff um 22 Prozent, bei Mineralölerzeugnissen um 15 Prozent, bei Betonstahl um 30 Prozent und bei Kunststoffen zwischen 13 und 23 Prozent. Zu dem massiven Anstieg der Preise kommen Lieferengpässe hinzu, die vor allem Holz, Kunststoffe und Stahl betreffen. Mittlerweile werden Betriebsschließungen befürchtet, sollte sich die Situation nicht schnell ändern. Auch der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes (ZDB) zeigt sich über die aktuelle Rohstofflage besorgt – Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer des ZDB hat dem baustoffPARTNER im Interview wichtige Fragen rund um dieses Thema beantwortet.

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Von: Christine Seif

Herr Pakleppa, ein wirklich außergewöhnliches Jahr liegt hinter uns: Die Baubranche ist bisher vergleichsweise mild durch die Corona-Krise gekommen: Wie haben Sie das bisher wahrgenommen und können Sie uns eine Prognose für 2021 aufstellen?

Es ist richtig, dass sich die Jahresbilanz für das Jahr 2020 sehen lassen kann. Die Bauwirtschaft ist die einzige Branche, die einen positiven Beitrag zur Bruttowertschöpfung geleistet hat. Durch den schnellen Schulterschluss mit den politisch Verantwortlichen sowie den Sozialpartnern konnten die Baustellen unter Einhaltung aller Schutz- und Hygieneauflagen weitergeführt werden. Grundsätzlich gehen wir für das laufende Jahr von einer Stagnation (nominal + / - 0 %) beim Branchenumsatz aus. Inwiefern die derzeitigen Lieferengpässe bei zahlreichen Baustoffen die Konjunktur langfristig drücken, bleibt abzuwarten.

Inmitten der Pandemie beschäftigt die Baubranche genau dieses große Problem: Rohstoffknappheit. In einigen Bereichen gibt es kaum noch Material auf dem Markt oder die Preise sind enorm gestiegen. Welche Bereiche sind am meisten davon betroffen?

Es klemmt in vielen Bereichen, aber die Entwicklung bei Kunststoffen macht uns große Sorgen, weil eben Kunststoffe in so vielen und unterschiedlichen Bereichen auf dem Bau zum Einsatz kommen. Wir benötigen Kunststoffrohre in vielfältiger Weise, auch beim Straßen- und Brückenbau z. B. zur Entwässerung. Wir benötigen Kunststoffe für Dämmmaterialien. Wir benötigen Kunststoffe für verschiedenste Folien, z. B. zur Abdichtung. Die Liste ließe sich verlängern. Aber auch bei Holz sehen wir derzeit eklatante Verknappungen und Preissteigerungen im Einkauf. Probleme bei Stahl und Metallen strahlen mittlerweile in viele Bereiche aus – ob bei Verbindungselementen, Bauteilen im Elektrohandwerk bis hin zum Metallbau.

Was sind Ihrer Meinung nach die Gründe dafür?

Die Knappheit der Baumaterialien hat unterschiedliche Gründe. Gemeinsam ist ihnen, dass China und die USA früher als erwartet aus der Pandemie gekommen sind und ihre Wirtschaft(en) wieder verstärkt produzieren.
Bei Holz kommt hinzu, dass Kanada als natürlicher Holzlieferant der USA aufgrund älterer Handelsstreitigkeiten weniger exportiert. Auch die Waldbrände in den USA tragen dazu bei, dass in Kalifornien jetzt mit deutschem Holz gebaut wird. Zudem kauft China verstärkt deutsches Rundholz.
Wenn wir auf die Situation bei den Kunststoffen blicken: 60 Prozent der Kunststoffprodukte gehen in die Bauwirtschaft und 50 Prozent der Produktionskapazitäten liegen in Asien. Diese Kapazitäten wurden erst im 3. Quartal 2020 wieder hochgefahren. Hinzu kommt, dass Handelsströme teilweise in die neue große asiatische Freihandelszone umgeleitet werden. Außerdem sind große Industrieanlagen in den USA wegen des Wintereinbruchs ausgefallen.


Zahlreiche Verbände und Handwerksbetriebe äußern sich kritisch zu diesen Umständen und haben Existenzängste – wie reagiert der ZDB darauf?

Leider haben Betriebe nur wenig Möglichkeiten, um sich solchen Entwicklungen, wie in der jetzigen Situation auf dem globalen Markt zu entziehen. Bauunternehmen sollten bei laufenden Verträgen auf Kunden zugehen und ihnen transparent die Situation erläutern, um zu versuchen, einvernehmlich Preise und Fristen anzupassen. Bei neuen Verträgen sollte Bezug auf die jeweils aktuellen Bedingungen der Materiallieferungen an den Bauunternehmer genommen werden – also z. B. das Angebote zeitnah befristet werden – oder Preisgleitklauseln, wo möglich, vereinbart werden. Wir hoffen, dass sich die Lage insgesamt bei den Baustofflieferungen im zweiten Halbjahr im Hinblick auf Lieferschwierigkeiten entspannt. Allerdings rechnen wir weiter mit gegenüber dem Vorjahr deutlich erhöhten Preisen im Einkauf. Damit müssen auch wir unsere Kalkulationen anpassen.

Ein Szenario, von dem immer häufiger zu hören ist, sind Baustellenschließungen und die drohende Insolvenz einiger Betriebe. Wie weit sind wir davon tatsächlich entfernt?

Vereinzelt liegen uns Fälle vor, wo Baustellen stillstehen und Teile der Belegschaft in Kurzarbeit sind. Sollte sich die Situation nicht entspannen, könnten mehr Baustellen und mehr Firmen davon betroffen sein.

Baustillstand oder Insolvenz ist der absolute »Worst Case«, besonders da die Baubranche gerade in der Corona-Krise tragende Säule der Wirtschaft war und ist – wie muss aus Ihrer Sicht seitens der Branche und der Politik gegengesteuert werden?

Die Verfügbarkeit von Baumaterialien und die Preissteigerungen sind ein ernstes ­Problem. In erster Linie müssen hier Angebot und Nachfrage schnell wieder ins Gleichgewicht kommen. Das ist bei den global gehandelten Grundprodukten für Baustoffe wie Erdöl und Stahl entsprechend ein globales und nicht nur deutsches Problem / Thema. Zudem appellieren wir an die Politik, die Kurzarbeiterregelung und Überbrückungshilfe III für Betriebe zu verlängern sowie Stoffpreisgleitklauseln für laufende und künftige Verträge im öffentlichen Bereich zuzulassen. So können Unternehmen die wegen Materialmangel in der Bauproduktion gehindert sind ein stückweit von Belastungen entlastet werden, die sie nicht zu verantworten haben und denen sie nicht ausweichen können.

Einige der knappen Rohstoffe werden in Deutschland produziert und aktuell in hoher Stückzahl exportiert: Gäbe es hier nicht Möglichkeiten, um die Situation zu entschärfen?

Um solche Krisen künftig zu vermeiden – und dabei auch Klima und Umwelt zu schonen – müssen wir uns bei den Baustoffen künftig verstärkt auf den heimischen Markt konzentrieren. Wir haben genügend eigene Produkte wie zum Beispiel Sand, Kies und Gips im Boden, bei denen wir nicht von Importen abhängig sein müssen und mit denen wir bauen können. Das gilt genauso für Holz: Das Holz, das wir in Europa verbauen, kommt vor allem auch aus Deutschland. Um diese Ressource jetzt schneller verfügbar zu haben, plädieren wir für die Aufhebung der Beschränkungen beim Holzeinschlag. Insgesamt brauchen wir eine angepasste Rohstoffstrategie der Bundesregierung.

Wann denken Sie, wird sich die Situation wieder entspannen?

Das ist für jeden Baustoff, der derzeit fehlt, verschieden. Bei Stahl etwa haben wir es schon immer mit einer volatilen Entwicklung zu tun. In der Regel kämpfen wir eher mit einer Über- statt mit der aktuellen Unterproduktion, daher kann sich das Angebot wieder auf das Niveau von 2019 einpendeln, als genügend Stahl vorhanden war. Bei den Kunststoffen dagegen lässt sich nur spekulieren, wann eine Entspannung eintritt: Die Lieferprobleme sollten sich im dritten Quartal entspannen. Bei den Preisen wird sich ein gegenüber 2019 eher hohes Niveau halten.  J

 

»Die derzeitig ständig steigenden Holzpreise machen es für die Handwerksbetriebe extrem schwierig, Angebote bzw. verbindliche Preise für die Kunden zu ermitteln. Hinzu kommen außergewöhnlich lange Lieferzeiten und Materialknappheit, die es uns zusätzlich erschweren, Projekte pünktlich und zur Zufriedenheit der Kunden auszuführen. Gewinner ist die Industrie, die derzeit mit Preissteigerungen bis zu 200 Prozent im Gegensatz zum Vorjahr ein gutes Geschäft macht. Den Endkunden gegenüber müssen wir Handwerker uns rechtfertigen. Ein Gegensteuern der Regierung wäre dringend erforderlich.«

Nicolas Schosser
Zimmerermeister, Geschäftsführer Zimmerei Schosser, Leutkirch


»Die extrem hohe Nachfrage führte auch bei uns zu sehr langen Lieferzeiten. Das gilt für die gesamte Palette unserer Bauprodukte – vom Schnittholz bis zu OSB. Wir produzieren in allen Werken auf Volllast, allerdings übersteigt die Nachfrage das Angebot weiterhin. Derzeit bekommen wir ausreichend Holz, hauptsächlich Kalamitätsholz. Es wird aber in Zukunft immer schwieriger werden, genügend sägefähiges Holz für eine Vollauslastung  zu bekommen. Seit Jahresbeginn sehen wir uns auch mit einer zunehmend angespannten Versorgungssituation hinsichtlich Chemierohstoffen konfrontiert, die für unsere Produktion benötigt werden. Unser oberstes Ziel in dieser angespannten Situation ist es, unsere und damit auch die Versorgung unserer Kunden bestmöglich abzusichern.
Das Ungleichgewicht von Angebot und Nachfrage hat in den vergangenen Monaten allerdings auch zu erheblichen Steigerungen der Rohstoffpreise geführt. In den kommenden Wochen sind weitere Preissteigerungen angekündigt. Wegen der sehr dynamischen Entwicklung können unsererseits im Moment keine längerfristigen Preisbindungen vereinbart werden. Mit einer Normalisierung der Situation rechnen wir in den kommenden Monaten erst einmal nicht.«

Ulrich Weihs
CEO Egger Building Products


»Unsere Produktion ist nahezu rund um die Uhr ausgelastet und die Auftragslage sehr gut. Aktuell sind wir trotz des durch das Vorprodukt Styrol entstanden Engpasses und den damit verbundenen stark steigenden Rohstoffpreisen in der Lage, die Rohstoffbeschaffung sicherzustellen. Zugute kommt uns hier sicherlich unsere Partnerschaft mit nicht nur einem, sondern mit mehreren Lieferanten. Hinzu kommt die Kooperation mit BEWi, ein Unternehmen,
das Polystyrol selbst herstellt.«

Christian Grimm
Geschäftsführer Hirsch Porozell, EPS-Dämmstoffhersteller

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