Uzin Utz gilt als Branchenpionier und Treiber von Nachhaltigkeitsinitiativen. Als erstes Unternehmen der Branche begann es bereits in den 1980er-Jahren mit dem Lösemittelausstieg bei Klebstoffen, führte Ende der 1990er-Jahre mit der UZIN Ökoline das erste sehr emissionsarme Produktsystem ein, 2013 gefolgt von der UZIN Terra-Line, bestehend aus drei Produkten, die neben einer Rezeptur mit reduzierten GWP-Werten (Global Warming Potential) in nachhaltigen Verpackungen angeboten wurden. Heute beträgt der Umsatzanteil der Uzin Utz SE mit EMICODE-EC-1-zertifizierten Produkten 98,2 %. 2021 wurde das Unternehmen mit dem Deutschen Umweltmanagementpreis des Umweltministeriums ausgezeichnet. Zuletzt erhielt es für seine zahlreichen Maßnahmen zur Energie- und Ressourceneinsparung den Umweltpreis für Unternehmen in Baden-Württemberg. Das aktuelle Ziel: bis 2025 Vorreiter bei ressourcenschonenden Verlegesystemen und klimaoptimierter Produktion zu sein. In der gesamten Gruppe sollen die Treibhausgasemissionen um 25 % für Scope 1 und 2 gesenkt werden.
Julian Utz, welchen Schwerpunkt setzen Sie bis 2025 bei der Entwicklung nachhaltiger Produkte?
Wir sind ein Unternehmen der Bauchemie. Wir wissen, wie anspruchsvoll der Schutz der Umwelt und der Menschen ist. Bei der Produktentwicklung tun wir deshalb mehr, als die gesetzlichen Vorgaben es erfordern. Seit jeher verfolgen wir das Ziel, neue, umweltfreundlichere und nachhaltige Alternativen zu bestehenden Lösungen zu entwickeln. Beispielsweise haben wir mit dem UZIN HydroBlock-System ein nachhaltiges Bodensystem zur Feuchteabsperrung auf den Markt gebracht, das deutliche CO2-Einsparungen aufweist. Hier setzen wir an und arbeiten daran, in unterschiedlichen Bereichen Alternativen zu herkömmlichen Systemen zu finden, die weniger CO2-Emissionen verursachen. Dies können gipsbasierte Spachtelmassen statt zementärer Produkte sein, neue Möglichkeiten bei der Feuchteabsperrung, die Epoxid-Lösungen ersetzen, oder Naturöle bei der Veredlung und dem Oberflächenschutz von Holzbelägen. Auch Produkte, die nachwachsende Rohstoffe bereits in der Rezeptur der zugekauften Vorprodukte aufweisen, sind in unserem Portfolio – Stichwort Biomasse statt fossiler Ressourcen. Damit sparen wir jährlich 3.000 Tonnen CO2 ein.
Philipp Utz: Wie machen Sie die Reduktion von CO2-Emissionen für den Anwender sichtbar?
Um beim CO2-Ausstoß einzelner Produkte für Transparenz zu sorgen, haben wir 2023 das markenübergreifende Nachhaltigkeitslabel ECO2 CHOICE eingeführt. Über einen QR-Code auf der Verpackung erfährt der Anwender Details zum Einsparpotenzial, alle relevanten Informationen sind hinterlegt. Hauptkriterium bei der Berechnung der CO2-Reduktion ist das Erderwärmungspotenzial, GWP. Berücksichtigt haben wir alle Lebenszyklusabschnitte von der Rohstoffbereitstellung bis zum Verlassen unserer Produktionsstätte (Cradle to Gate). Produkte, die mit dem Label gekennzeichnet sind, verfügen über eine veränderte Rezeptur mit nachwachsenden, regionalen oder biomassebasierten Rohstoffen. Sie können als nachhaltige Alternative zu bestehenden Produkten eingesetzt werden. Sukzessive werden alle Marken der Uzin Utz Gruppe Produkte aus ihrem Sortiment benennen, die detailliert über klimarelevante Daten Auskunft geben.
Bei Uzin sind das beispielsweise die Grundierung PE 360 Plus, die zementäre Spachtelmasse NC 160 und diverse Klebstoffe für Linoleum, textile Beläge sowie Trockenklebstoffe der Sigan-Reihe. Im Fliesenbereich hat unsere Marke codex eine besonders nachhaltige Grundierung, Spachtelmasse und Multi-Flex-Mörtel im Programm. Ein weiteres Beispiel ist die neue Oberflächenveredelung für Parkettböden, Magic Oil Change unserer Marke Pallmann aus Würzburg. Das neue lösemittelfreie Parkettöl besteht zu über 90 % aus nachwachsenden Rohstoffen, geliefert von Landwirten aus der Region. Das verwendete kalt gepresste Hanföl und die natürlichen Wachse müssen nicht chemisch bearbeitet werden – wie bei herkömmlichen Parkettölen üblich.
Julian Utz: Wie wichtig sind Zertifizierungen?
Sie sind sehr wichtig, da sie Orientierung geben. Der Umsatzanteil der Uzin Utz SE mit EMICODE-EC-1-zertifizierten Produkten beträgt 98,2 %. In unserem Produktsortiment sind die meisten Produkte mit dem Label EMICODE EC1 Plus als sehr emissionsarm gekennzeichnet. Viele tragen den Blauen Engel. Die PU-Beschichtungen der Marke Arturo sind lösemittelfrei, AgBB-Zertifizierungen sind die Regel, zusätzliche EMICODE-Zertifizierungen sind teilweise schon vorhanden und mehr sollen folgen. Die Beschichtung Arturo PU2060 verfügt über unser Nachhaltigkeitslabel ECO2 CHOICE, die Verlaufbeschichtung PU2030 ist mit dem Cradle-to-Cradle-Zertifikat in Silber ausgezeichnet. Produziert werden sie CO2-neutral am niederländischen Standort Haaksbergen – seit 2014 die grünste Fabrik der Niederlande. Der Nachhaltigkeitsgrad des Industriegebäudes wurde nach dem niederländischen Zertifizierungsverfahren GPR Gebouw geprüft und mit einem Wert von 8,66 auf einer Skala von 1 bis 10 ausgewiesen.
Was sind aktuell die größten Herausforderungen?
Eine große Herausforderung sind definitiv der sehr labile Beschaffungsmarkt und die hohen Preise. Außerdem macht uns die drohende ökologische Reglementierung wichtiger Rohstoffe wie Lithiumcarbonat zu schaffen, das eine wichtige Funktion bei der Herstellung und Formulierung zementärer Spachtelmassen übernimmt.
Wie lösen Sie diese Aufgabe?
Unsere Forschung und Entwicklung hat beispielsweise mit dem neuen UZIN Turbolight-System CA ein leichtes und flexibles Schnellsystem zum Renovieren auf Gipsbasis herausgebracht. In der Anwendung funktioniert es wie unser bewährtes System aus zementären Bestandteilen – verursacht jedoch weniger CO2-Ausstoß und ist spannungsärmer. Beide Systeme bestehen aus den Komponenten Leichtausgleichsmörtel, Armierungsfasern und Dünnestrich, ermöglichen einen tragfesten Bodenaufbau in variabler Höhe von bis zu 300 mm und gleichen Unebenheiten flexibel aus.
Philipp Utz: Welche Trends gibt es rund um den Boden?
Der Trend geht eindeutig zu nachhaltigeren Bauweisen, die entsprechende klima- und umweltverträgliche Baustoffe benötigen. Das ist für uns nicht neu, wir sehen bei Uzin Utz Nachhaltigkeit von jeher als langfristige Orientierung, die immer auch die Zukunft im Blick hat. Relevant ist diese Entwicklung nicht nur für Planer, Architekten und Bauherren, sondern auch für das Handwerk. Die Nachfrage nach nachhaltigen Verlegewerkstoffen und Bodensystemen ist gekommen, um zu bleiben. Neben Baustoffen, die den CO2-Fußabdruck reduzieren helfen, gibt es jedoch eine Vielzahl von Möglichkeiten, Nachhaltigkeit am Bau umzusetzen. Daran arbeiten wir kontinuierlich.
Schnelligkeit, Gewicht, ergonomische Verarbeitung … was ist alles nachhaltig?
Lebensdauer, Ergonomie und Gewichtsreduktion tragen zur Nachhaltigkeit bei. Auch Schnelligkeit ist beim Bau ein wichtiger Faktor. Dabei müssen alle Produkte höchste Qualitätsansprüche erfüllen und einfach zu verarbeiten sein. Neue nachhaltige Anwendungsmöglichkeiten durchlaufen längere Testphasen, bis sie alle Kriterien erfüllen, die unsere bewährten Systeme aufweisen. Dieses Versprechen geben wir unseren Kunden. Zuletzt haben wir beispielsweise ein neues ergonomisches und wirtschaftliches Verfahren entwickelt, um Untergrundfeuchte in den Griff zu bekommen. Unser UZIN MT Classic System, in dem bereits die eingesetzten Systembestandteile beständig gegen alkalische Feuchte sind, weist einen um rund 50 % kleineren CO2-Fußabdruck auf als klassische Abdichtungssysteme, bei denen Reaktionsharzgrundierungen eingesetzt werden.
Julian Utz: Wo verwenden Sie nachwachsende Rohstoffe? Setzen Sie recyceltes Material ein? Gibt es Einsatzmöglichkeiten für kreislauffähige Produkte?
Wir bieten beispielsweise eine Möglichkeit im Trockenklebstoffbereich an, Beläge bei einer Renovierung besonders schnell und unkompliziert zu verlegen – mit bereits beschichtetem Folienträger direkt auf den vorhandenen Belag oder Untergrund. Der Boden ist sofort begehbar, der Belag lässt sich später wieder rückstandsfrei entfernen. Auch für Sockel und Treppen gibt es passende Produkte. Neu ist ein sogar leitfähiger Trockenklebstoff mit switchTec-Klebetechnologie, der in Serverräumen oder Büros eingesetzt werden kann. Die wiederablösbaren Klebeverbindungen können zudem wieder in den Kreislauf geführt werden.
Für manche Bodenbelagsklebstoffe verwenden wir zudem Balsamharz-Derivate oder REA-Gips in Spachtelmassen. Der Gips stammt dabei aus Rauchgas-Entschwefelungs-Anlagen (REA). Bei der Entwicklung der neuen PU-Beschichtung Arturo Mistral wurde ein fossiler Rohstoff durch eine nachwachsende Komponente ersetzt. Hieraus resultierte eine neuartige mineralisch anmutende Oberflächenstruktur. Zudem lässt sich das Material gut recyceln.
Philipp Utz: Serielles Bauen, Vorfertigung, digitale Prozesse – wie können Bodensysteme in Zukunft in diesem Zusammenhang nachhaltig eingesetzt werden?
Laut Expertenmeinung könnten mit standardisierten Bauweisen und einem höheren Grad an Vorfertigung viele Gebäude schneller und mit geringeren Kosten errichtet werden. Dazu müssen digitale Prozesse vorangetrieben und vereinheitlicht werden. Die Konstruktionsdatenbank BIM, in der auch die Daten unserer Produkte bereits seit 2019 für alle bauchemischen Volumenprodukte dem Planer, Architekten und Bauträger zur Verfügung stehen, bietet beispielsweise den Vorteil, dass unterschiedlichste Gewerke über den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes reibungslos zusammenarbeiten können. Im Optimalfall werden dadurch Abläufe effizienter gestaltet, was im Hinblick auf die Situation der aktuellen Kosten- und Materialentwicklungen nicht unerheblich ist. Durch funktionierende Abläufe können auch Ressourcen gezielter zum Einsatz kommen, was den Grundgedanken zum nachhaltigeren Bauen unterstützt. Diese Tools immer weiter zu optimieren und dadurch Ressourcen optimal einzusetzen, ist die größte Chance, wie auch unsere Produkte in Zukunft so nachhaltig wie möglich eingesetzt werden können.