»Charakteristisch für die Schweizer Häuser sind die weit auskragenden Dächer, die aufwendigen Holzschnitzereien an Balkonen und Austritten sowie die reich verzierten Fassaden auf einem massivem Felssteinsockel«, beschreibt Magnus Creutzfeldt die charakteristischen Merkmale des Schweizer Haus-Stils, der im 19. Jahrhundert das damalige Ideal von Naturverbundenheit verkörperte.
Als das Berliner Büro Linie Creutzfeldt Architekten 2021 mit der Sanierung des Hauses beauftragt wurde, präsentierte sich das Gebäude baulich stark gealtert. Die Spuren von 160 Jahren wechselvoller Geschichte zeigten sich insbesondere am Holzdach mit seinen zahlreichen provisorischen, weit vom ursprünglichen Zustand entfernten Instandsetzungen. Der Originalgrundriss und vieles der historischen Bausubstanz waren aber weitgehend erhalten geblieben.
»Ziel der denkmalgerechten Sanierung war es, die bauzeitliche Gestaltung wieder hervorzubringen und gleichzeitig die Patina des Gebäudes zu erhalten«, berichtet Magnus Creutzfeldt. Die besondere Herausforderung dabei: Die Fassaden waren einst geschmückt durch reiche Ornamente aus Gips, Sand und Kalk, die bauzeitlich von Kunstmalern imitierte Holzstruktur ist dagegen bis heute erhalten geblieben. Creutzfeldt, selbst vor seinem Architektur-Studium ausgebildeter Zimmermann und aufgewachsen am Bodensee: »Mit dem alpinen Blockhausbau Holzbau hatten die norddeutschen Baumeister in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wenig Erfahrung und so imitierte man beispielsweise Schnitzereien mit den handwerklichen Techniken, die man beherrschte.«
Ausgehend von dieser besonderen Situation folgte ein zwölfmonatiger Abstimmungsprozess mit allen Beteiligten, bevor die siebenmonatige Bauphase beginnen konnte. Ausgehend von einem restauratorischen Gutachten wurden dabei in Zusammenarbeit mit den Restauratorinnen von Hirsch, Rütt und Partner Putzschichten ergänzt oder erneuert, die künstliche Holzmaserung auf dem Putz mit zwei Schichten Silikatfarbe originalgetreu nachempfunden und die in Stuck imitierten Holzverzierungen nachgebildet. Ebenso wurden Holz-Balkone instandgesetzt und schadhafte Balkenkonstruktionen originalgetreu ergänzt.
Neues Schieferdach nach historischem Vorbild
Ein zentrales Element der Restaurierung war die Sanierung des 270 m2 großen, um 22 Grad geneigten Satteldachs mit seinen großen Dachüberständen. Zuletzt war die Fläche zu DDR-Zeiten mangels Kapitals und vorhandener Alternativen mehrfach mit Bitumen abgedichtet worden, zur Instandhaltung von Traufleisten und Ortgängen war notdürftig günstiges »Duroplast« zum Einsatz gekommen. Im Rahmen der Sanierung wurden diese provisorischen Baustoffe wieder abgetragen und das Dach mit rechteckigen Schiefersteinen der Marke InterSIN von Rathscheck Schiefer neu eingedeckt. Das Unternehmen mit Sitz in Mayen in der Eifel zählt zu den führenden Schieferproduzenten weltweit und besitzt eigene hochwertige Vorkommen in Spanien: »Mit der Wahl dieses Millionen Jahre alten Materials sind wir der Originaleindeckung am nächsten gekommen«, wie Magnus Creutzfeldt erklärt. »Hinzu kommt, dass Schiefer ein nachhaltiges Naturmaterial ist, das durch seine Langlebigkeit bei einer Denkmal-Sanierung unschlagbar ist.«
Hinterlüfteter Dachaufbau
Im Vorfeld der Neueindeckung wurden zunächst die vorhandenen Dachbalken durch die Mitarbeiter der beauftragten Zimmerei Schmiechen & Grüber in Teilen erneuert. Das betraf insbesondere verschiedene teilweise freiliegenden Konstruktionshölzer, bei denen der konstruktive Holzschutz nicht so gut ausgeführt war und sich im Laufe der Zeit Fäulnis ausgebreitet hatte. Sämtliche weiteren Dacharbeiten erfolgten durch den auf die Sanierung von Baudenkmälern spezialisierten Dachdeckerbetrieb Blank aus dem nahe gelegenen Schwielowsee. Über den Sparren brachten die Mitarbeiter des Unternehmens zunächst eine 24 mm dicke Sichtschalung aus Kiefer auf, darüber folgten eine naht- und perforationsgesicherte Unterdeckbahn, eine 30 x 50 mm starke Konterlattung mit Nageldichtbahn sowie eine 40 x 60 mm dicke Lattung, um abweichend vom Originalzustand einen hinterlüfteten Dachaufbau zu erhalten.
Im nächsten Schritt konnte mit der Schiefereindeckung begonnen werden. Passend zum Stil des Hauses und angelehnt an die Optik typischer Steinlege-Dächer aus dem Berner Oberland wurde eine sogenannte Rechteck-Doppeldeckung ausgeführt: »Ausgehend von der erforderlichen Höhenüberdeckung von 12 cm haben wir 60 x 30 cm große, hochkant verlegte Schiefersteine verwendet, um im Ergebnis eine sichtbare Höhe von 24 cm zu erhalten«, erläutert Dachdeckermeister Nils Blank. »Die Steine der dritten Reihe überdecken die Steine der ersten Reihe somit um 12 cm.« Das Ergebnis überzeugt auf den ersten Blick: Die lediglich 5 mm dünnen, im halben Verband angeordneten und jeweils mit mindestens zwei Schiefernägeln befestigten Steine von Rathscheck Schiefer verbinden das historisches Vorbild mit geringem Flächengewicht und zeitlos-ästhetischer Anmutung.
Individuelle Lösungen
Besondere Lösungen erforderten insbesondere die verschiedenen Dachabschlüsse. Das betrifft zum einen den abgetreppten Traufbereich mit dem als Verzierung integrierten Schleierbrett: »Für einen sicheren Aufbau wurden zusätzlich ein dreifach gekanteter Traufstreifen, ein Lüftungsgitter sowie ein zusätzliches Abtropfblech auf der Traufkeilbohle integriert«, so Magnus Creutzfeldt. »Darüber hinaus haben wir im Bereich der Dacheinschnitte zusätzliche Ableitbleche eingefügt, die auf die Hauptdachflächen entwässern, um rückspritzendes Wasser an den stirnseitig angrenzenden Traufdeckungen zu verhindern und so die fehlende Regenrinne zu ersetzen.«
Für einen zusätzlichen Schutz gegen Regenwasser sind sämtliche Ortgänge als Zahnleiste und mit 80 mm überstehenden Schiefersteinen ausgeführt: »Eine Besonderheit der Dachkonstruktion ist außerdem der zweiseitig eingerückte Lüfterfirst, der von der Giebelseite her um rund 2 m eingerückt wurde, um die entstandene 'Dachhaube' giebelseitig nicht sichtbar werden zu lassen«, so Nils Blank. Viele der getroffenen Entscheidungen sind dabei auch dem Verständnis und dem Mut des Bauherrn zu verdanken: »Das betrifft insbesondere den Rückbau der Dachrinne und Regenfallrohre sowie die Wiederherstellung der Bodenrinne, die sich sämtlich nicht in den DIN-Normen wiederfinden«, wie Magnus Creutzfeldt ergänzt. Im Zusammenspiel der verschiedenen Maßnahmen ist eine bautechnisch sichere Neueindeckung gelungen, die sich harmonisch in das bestehende Bild einfügt und die gleichzeitig auch den hohen Ansprüchen der Denkmalpflege genügt.