In der Baubranche, besonders im Wohnungsbau, hören wir seit vielen Monaten eine Hiobsbotschaft nach der anderen. Die Lage ist derzeit alles andere als leicht, findet auch Tanja Thalmeier: »Die Rahmenbedingungen sind tatsächlich nachhaltig schwierig geworden, insbesondere seit dem Zusammenspiel von Baupreissteigerung bzw. deren anhaltender Volatilität, einer Energiepreiskrise, Klimaschutzerfordernissen, immer größeren Regulierungen im Wohnungsbau, dem enormen Zinsanstieg, Wegfall von Fördermöglichkeiten mit weiterer Unsicherheit der Entwicklung sowie aktueller Verunsicherung, verursacht auch durch fehlende Verlässlichkeit politischer Entscheidungen. Dennoch arbeiten wir nach wie vor daran, unseren Satzungszweck zu erfüllen und möglichst viele Menschen mit Wohnraum zu versorgen, gut, sicher und sozial verantwortbar. Wir arbeiten – neben der Modernisierung unseres Wohnungsbestandes – weiter daran, bezahlbare Mietwohnungen zu errichten. Wir nutzen hierzu öffentliche Fördermöglichkeiten, wünschen uns dabei verlässliche politische Entscheidungen als Planungsgrundlage, den Abbau von bürokratischen Hindernissen und teilweise überbordenden Bauvorschriften.«
Bauträger häufig in der Krise: Wenn der Bau erst gar nicht beginnen kann
Von zahlreichen – häufig kleineren – Bauträgern hört man mittlerweile, dass sie Bauvorhaben gar nicht mehr umsetzen können. Denn es ist gang und gäbe, dass Objekte mit mehreren Einheiten zum Teil vor Baubeginn verkauft sein müssen, da der Bau teilweise von diesem Geld finanziert wird. Nur ein Bruchteil des Gesamtbetrags kommt von der Bank. Sind die Wohnungen aber nicht zu einem bestimmten Prozentsatz verkauft, kann der Bau nicht beginnen. Wie sieht es da bei der BSG Allgäu aus? »Unser Bauprogramm läuft aktuell weiter. Wir haben als Beispiel im Sommer 2022 mit einer Baumaßnahme mit 76 Wohneinheiten in neun Gebäuden begonnen. Solche Projekte benötigen viel Vorlaufzeit und können nicht einfach so aufgrund sich verändernder Rahmenbedingungen gestoppt werden«, erzählt Thalmeier. Hinzu komme, dass die BSG Allgäu aufgrund ihrer Größe, ihrer langjährigen Erfahrung sowie ihrer verantwortungsvollen Planung für solche Krisen gewappnet ist. Allerdings ist laut Thalmeier natürlich zu erwarten, dass Projekte, die jetzt aufgrund der aktuellen Rahmenbedingungen nicht geplant werden, in den kommenden Jahren auch nicht gebaut werden.
Unsicherheit ist vorhanden wie auch der Traum vom Eigenheim
In den vergangenen 15 Jahren hat die BSG Allgäu über 1 300 Reiheneigenheime und Eigentumswohnungen neu erstellt und verkauft. Doch der Bedarf wird immer größer. Der Wunsch nach einem Eigenheim ist trotz der gestiegenen Kosten bei vielen Menschen vorhanden – auch wenn die Erfüllung dieses Traums in den vergangenen Jahren deutlich schwieriger geworden ist. Doch genau das bedeutet auch, dass derzeit Mietwohnungen noch stärker gefragt sind. »Die BSG Allgäu bewirtschaftet als sozial orientiertes Wohnungsunternehmen einen Wohnungsbestand von über 7 000 Wohnungen, davon 2 200 genossenschaftliche Mietwohnungen, vermietet zu einer monatlichen Durchschnittsmiete von 5,75 Euro / m2 Wohnfläche. Die Nachfrage nach bezahlbaren Mietwohnungen (in diesem Segment) ist sukzessive immer weiter ansteigend, aktuell sind etwa 1 800 Wohnungsinteressenten bei unserer Genossenschaft vorgemerkt, so viele wie noch nie«, berichtet Thalmeier. Hinzu komme, dass aktuell – und vermutlich auch noch die nächsten Monate und Jahre – weniger Mietwohnraum gebaut wird, was die Anspannung am Markt nochmals deutlich verschärfen wird.
Und spätestens hier kommt nun auch die Politik ins Spiel, denn sie müsse die Rahmenbedingungen für den Wohnungsbau wieder attraktiver machen, sind sich die Verantwortlichen einig. »Nach unseren Berechnungen müsste die monatliche Kaltmiete pro Quadratmeter bei 18 bis 20 Euro liegen, damit der Mietwohnungsbau ohne Förderung derzeit rentabel bzw. kostendeckend ist«, so Thalmeier. Das bedeutet, dass sich Wohnungsbau kaum noch lohnt, denn eine so hohe Miete können sich nur wenige leisten.
Wir können uns luxuriöses Bauen nicht leisten – und viele Mieter auch nicht
Doch wie kann dieses Problem gelöst werden? Auch hier sind sich die Wohnungsunternehmen einig: »Bauen muss einfacher werden.« Dieser Meinung ist auch Tanja Thalmeier: »Wir bauen derzeit häufig zu teuer – teilweise verursacht durch die verschiedenen Vorgaben der Politik. Bei einigen Punkten gibt es keine Diskussion, beispielsweise hinsichtlich der Sicherheit. Bei anderen Vorgaben, Stichwort Grundrissvorgaben, Abstandsflächen oder Stellplatzforderungen, muss die Notwendigkeit individuell hinterfragt werden. Luxus ist teuer, auch beim Bauen, und da müssen wir uns fragen, wer das noch bezahlen soll.«
Der Gebäudetyp E muss kommen, da sind sich die verschiedenen Verbände einig
Fazit ist, dass Bauen wieder einfacher, schneller und günstiger werden muss. Der Gebäudetyp E, wie er derzeit in aller Munde ist, wäre für Tanja Thalmeier ein guter und wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Mit dem Gebäudetyp E, wie einfach oder experimentell, sollen fachkundige Bauherren und Planende die Freiheit erhalten, ihr Projekt auf den eigentlichen Kern der Schutzziele der Bayerischen Bauordnung (Standsicherheit, Brandschutz, gesunde Lebensverhältnisse und Umweltschutz) zu reduzieren. Verzichtet werden kann dagegen auf darüber hinausgehende Normen und Standards.
Dass Bauen einfacher werden muss, unterstützt auch der Zentralverband Deutsches Baugewerbe (ZDB). Erst Ende Juni hat Felix Pakleppa, ZDB-Hauptgeschäftsführer, sich dafür ausgesprochen: »Für den Mietwohnungsbau gibt es die degressive AfA, die nicht an einen hoch ambitionierten energetischen Standard gekoppelt ist. Würde es eine eindeutige und langfristige Fördersystematik für den Wohnungsbau geben, die den EH-55-Standard einschließt, und nicht nur den überambitionierten EH-40-Standard, würde das einen merklichen Schub geben.« Auch der Gebäudetyp E ist für Pakleppa eine dringende Notwendigkeit: »Schubkraft für den Wohnungsbau gibt es noch an weiterer Stelle: Das Bauen muss einfacher und damit günstiger werden. Mit dem Gebäudetyp E haben wir hierfür eine echte Chance. Voraussetzung ist aber, dass nicht immer der Stand der Technik, sondern dass auch das technisch Notwendige rechtssicher gebaut werden darf. Das zu regeln, hat die Politik in der Hand. Es fehlt uns nicht an Instrumenten für mehr Wohnungsbau. Sie müssen nur zum Einsatz kommen.«
Die Politik ist am Zug und die Bauenden fordern vor allem Verlässlichkeit
Wichtig ist für alle jetzt, dass die Politik Maßnahmen ergreift, um der Wohnungsbaukrise entgegenzuwirken. »Wir brauchen politische Verlässlichkeit und Entscheidungen, die uns Planungssicherheit geben«, so Thalmeier. Auch einen Tipp hat Tanja Thalmeier für Menschen, die auf der Suche nach Wohnraum sind: »Gerade wenn es um eine so wichtige Entscheidung wie den Kauf einer Immobilie geht, empfehle ich Interessenten, sich an ein seriöses, regional verwurzeltes Unternehmen zu wenden, das mit klar fixierten Bedingungen und Festpreisen am Markt agiert.« Sie selbst ist glücklich und auch stolz, in einer Bau- und Siedlungsgenossenschaft wie der BSG Allgäu zu arbeiten. »Wir schaffen bezahlbaren Lebensraum für alle Menschen. Innovation und Bezahlbarkeit gehen bei uns Hand in Hand. Wir durchdenken und bedienen den gesamten Lebenszyklus des Wohnraums – und bei allem steht der Mensch für uns im Mittelpunkt. Wir entwickeln Lebensraum über Generationen hinweg –
für jeden Menschen und für die gesamte Gesellschaft.« Bleibt abschließend zu hoffen, dass die Wohnungsbaubranche schnellstmöglich die Kurve bekommt, damit Wohnraum nicht zur sozialen Frage innerhalb unserer Gesellschaft wird.