Alles, was man mit dem Rohstoff Teer machen kann – das war die Geschäftsidee des 1857 gegründeten Dachpappen- und Asphaltgeschäfts Wilhelm Burck aus Stuttgart-Zuffenhausen. Fahrbahnbeläge, Gullys, Parkettkleber, Dach- oder Teerpappe – heute würde man Bitumenbahnen sagen. »Wir kommen als reiner Bitumenbahnenhersteller daher«, beschreibt Geschäftsführer Tim Bauder die Ursprünge des Unternehmens. Sein Urgroßvater Paul Bauder, Namensgeber der Firma, hatte als Prokurist bei Wilhelm Burck begonnen und 1925 den Produktionsarm der Firma zu 100 Prozent übernommen – die eigentliche Geburtsstunde der Firma Paul Bauder.
Dessen Sohn Hermann, den Tim Bauder als »Typ Daniel Düsentrieb« beschreibt, hat dem Unternehmen bis 1982 seinen Stempel aufgedrückt. Der umtriebige Unternehmer und Tüftler hat nicht nur das Geschäftsgebiet durch die Übernahme eines Bochumer Bitumenherstellers über Süddeutschland hinaus erweitert, sondern auch das Produktsortiment deutlich vergrößert. So hat er u. a. eine Anlage zum Gullyschießen gekauft, EPS und PU-Hartschaum geschäumt oder Fußbodenkleber und Korkdämmung produziert. Nicht zuletzt wegen dieser Angebotsvielfalt sehe das Stammwerk in Stuttgart-Weilimdorf ein bisschen wie die Vereinigten Hüttenwerke aus, sagt Tim Bauder mit einem Schmunzeln.
60 Mio-Euro-Investition: Im Mai eröffnete Bauder im sächsischen Schwepnitz sein neues Werk für Kunststoffbahnen aus PVC und FPO.
Von den Gemischtwaren zum Flachdachexperten
Als 1982 mit den Brüdern Gerhard und Paul-Hermann Bauder die dritte Generation ans Ruder kam, wurde der Gemischtwarenladen von Hermann Bauder sukzessive entrümpelt. Die beiden Brüder konzentrierten sich voll und ganz auf das Thema Dach – mit Bitumen und Dämmung aus PU-Hartschaum. »Bevor wir in vier, fünf Disziplinen im Bundesliga-Mittelfeld spielen, konzentrieren wir uns lieber auf eine Disziplin und spielen hier in der Champions League«, umschreibt Tim Bauder die bis heute gültige Strategie. In den 1980er Jahren schien die Zukunft im Steildach zu liegen. Doch durch den Trend zur diffusionsoffenen Bauweise habe die hochwertige Bitumenspannbahn das Nachsehen gehabt. Anders beim Flachdach, das heute 85 Prozent des Bauder-Gesamtumsatzes ausmacht (Steildach: 10 Prozent).Dazu trug auch der PU-Hartschaum bei, den bereits Baustoff-Pionier Hermann Bauder ins Sortiment mit aufnahm. Zunächst ein Nischenprodukt – Flachdächer wurden früher mit Kork oder EPS gedämmt – gewann PU im Laufe der Zeit immer mehr Marktanteile. »PU bietet die beste Dämmleistung bei geringster Dicke. Das war bei Bauder gleichzeitig der Anfang, ganze Systeme anzubieten«, so Tim Bauder. Die Kompetenz im Bereich PU-Hartschaum nutzt Bauder übrigens auch, um das Produkt in großen Blöcken für unterschiedliche Industrieanwendungen (z. B. die Dämmung von Kühlfahrzeugen) anzubieten. Dieser Geschäftsbereich macht die restlichen 5 Prozent des Gesamtumsatzes aus.
Bitumen oder Kunststoff – (k)eine Glaubensfrage
Das Jahr 2000 markiert dann einen entscheidenden Wendepunkt in der Firmengeschichte von Paul Bauder – bis dahin waren Bitumenbahnen und PU-Dämmstoffe die einzigen Geschäftsfelder. Doch mit der Übernahme des ehemaligen DDR-Betriebs Thermoplast aus dem sächsischen Bernsdorf kann Paul Bauder erstmals auch Kunststoffbahnen anbieten. Tim Bauder erläutert: »Es gibt zwei Möglichkeiten der Flachdachabdichtung: zwei Lagen Bitumen oder eine Lage Kunststoff. Bis dato waren sich beide Industriezweige spinnefeind.« Es war eine Glaubensfrage: Entweder hatte man das schwarze Blut eines Bitumenherstellers in den Adern oder man schwor auf Kunststoffabdichtungen – ein Miteinander gab es nicht. Paul Bauder setzte dieser Rivalität ein Ende. »Allerdings hat es etwa fünf Jahre gedauert, bis die Akzeptanz da war, als Bitumenhersteller auch Kunststoff anzubieten«, so Tim Bauder. Heute hätten die meisten großen Anbieter beide Werkstoffe im Sortiment. Im Nachhinein sei es die goldrichtige Entscheidung gewesen, die Kunden werkstoffunabhängig beraten zu können. »Das hat unser Ansehen, unsere Kompetenz und unsere Glaubwürdigkeit bei Architekten und Planern deutlich erhöht«, ist sich Tim Bauder sicher.
Der eBUs-Port in Nürnberg-Schweinau zeigt den Systemgedanken von Bauder: Auf einer FPO-PP-Kunststoffabdichtungsbahn wurde ein Gründach mit PV-Anlage errichtet.
Flüssigkunststoff, PV-Anlagen und Gründächer
2006 begann Bauder dann auch, Flüssigkunststoff anzubieten – dieser wurde durch den Trend hin zu Kunststofffenstern immer wichtiger. Zunächst setzte man auf ein Handelsprodukt eines anderen Herstellers, mit allerdings bescheidenem Erfolg. Seit 2016 bietet Paul Bauder mit »Bauder Liquitec« Flüssigkunststoff nach eigener Rezeptur an und konnte damit seine seit 2010 verfolgte Strategie als Systemanbieter für das Flachdach kontinuierlich ausbauen. Dies gilt umso mehr, als mit den Geschäftsfeldern Photovoltaik und Dachbegrünung der Systemgedanke weiter forciert wurde. Speziell beim 2009 neu aufgenommenen PV-Bereich sei man zunächst durch ein tiefes Tal der Tränen gegangen, so Tim Bauder. Inzwischen könne man sich vor Aufträgen kaum retten. »Im PV-Bereich hatten wir nie das Ziel, ganze Anlagen zu verkaufen. Unsere Triebfeder war, sichere Dächer unter der PV-Anlage zu planen und zu beraten. Das Flachdach eignet sich bestens für PV-Anlagen, aber das Dach sollte nach dem Aufbau auch mindestens 20 Jahre halten«, erläutert der Bauder-Geschäftsführer. Deshalb hat Paul Bauder eine Unterkonstruktion entwickelt, die ohne Durchdringung und Beschwerung auskommt und rein durch die mechanische Befestigung der Dachhaut aufgeklebt wird. Das System ist laut Tim Bauder das leichteste am Markt und eignet sich deshalb optimal für die Sanierung.
Das Thema Dachbegrünung hatte in den 1980er Jahren schon Paul-Hermann Bauder ins Spiel gebracht, wenn auch erst in Ansätzen. Inzwischen erhält das Thema eine hohe mediale Aufmerksamkeit. Der Hintergrund dafür liegt laut Tim Bauder an der unterdimensionierten Kanalisation der Städte und Gemeinden sowie der Bebauung und Versiegelung der Flächen in den letzten Jahrzehnten. Wenn dann Starkregenereignisse dazukommen, sind massive Überschwemmungen die Folge. Um dem zu begegnen, wurde das Schwammstadt-Konzept entwickelt – mit dem Ziel, dass so wenig Regenwasser wie möglich in die Kanalisation fließt. Und hier bietet sich das begrünte Flachdach als idealer Wasserspeicher an. Im Substrat lässt sich das Wasser zwischenspeichern, auch zusätzliche Hohlräume sind denkbar, um einen Zwischenpuffer zu schaffen und das Regenwasser nur verzögert weiter abläuft. Hinzu kommt der wichtige Beitrag der Dachbegrünung für die Biodiversität sowie ein Kühlungseffekt durch das verdunstende Wasser. Außerdem halte das Gründach deutlich länger, weil kein schädigendes UV-Licht direkt auf die Abdichtung fällt. Inzwischen bietet Paul Bauder auch Systemlösungen für Gründächer in Kombination mit PV-Anlagen an.
Spatenstich für das Werk im französischen Drusenheim: Mark (ganz links) und Jan Bauder (ganz rechts) im Beisein der maßgebenden Politiker aus dem Elsass.
Massive Investitionen in die Standorte
Dass Bauder mit seinem Geschäftsmodell – trotz der aktuellen wirtschaftlichen Delle in der Baubranche – optimistisch in die Zukunft blickt, unterstreichen die substantiellen Investitionen in neue und bestehende Standorte. Derzeit verfügt Paul Bauder über acht im Betrieb befindliche Werke. Erst im Juli wurde im sächsischen Schwepnitz eine hochmoderne Fertigung für Kunststoff-Dachbahnen eröffnet. Im Juli folgte der Spatenstich für eine neue Produktionsanlage für Flüssigkunststoff in Landsberg (Halle). Bauder erweitert hier sein seit 1994 bestehendes Werk in Landsberg, in dem bislang bereits Bitumenbahnen und Dachdämmungen aus Polyurethan gefertigt werden. »Das Werk in Landsberg mit seiner Kombination aus Bitumen- und PU-Herstellung bildet sozusagen die Blaupause für alle Werke, die wir bauen«, erläutert Tim Bauder. Bitumen und PU ergänzten sich beim Transport sehr gut. Beide Baustoffe seien sehr logistikintensiv, weshalb die Produktion möglichst dezentral erfolgen müsse, während Kunststoff nicht so logistikintensiv sei und deshalb auch über weite Strecken transportiert werden könne.
Nach dieser Blaupause wird derzeit auch am 2015 eröffneten ersten Auslandsstandort in Bruck in Österreich die Bitumenproduktion um die Herstellung von PU erweitert. Doch damit nicht genug: Im Juli erfolgte im elsässischen Drusenheim der Spatenstich für einen weiteren Produktionsstandort für die Bitumen- und PU-Herstellung. Rund 100 Mio. Euro investiert Bauder in die hochmoderne Fertigung, in der bis zu 100 Arbeitsplätze geschaffen werden. Es versteht sich von selbst, dass die Gebäude des Werkes mit Gründächern und PV-Anlagen bestückt werden. Die Investition in Frankreich soll Bauder neben der Versorgung Süddeutschlands und der Schweiz vor allem den französischen Markt erschließen. Mit einem Exportanteil von 44 Prozent sieht Tim Bauder hier noch großes Potenzial. Bauders größte Exportmärkte sind neben Großbritannien die Schweiz und Österreich. Vom Werk in Bruck wird auch der südosteuropäische Markt bedient, in Westeuropa ist man dagegen noch nicht so stark vertreten. Aktuell hat das Unternehmen Vertriebsgesellschaften in 16 Ländern.
Generationswechsel aus einem Guss
Der deutsche Markt ist in sechs Verkaufseinheiten gegliedert. Eine große Kundennähe ist Bauder wichtig, um die Hauptzielgruppen Dachdecker, Bauherrenvertreter und den Fachhandel bestens zu betreuen. Speziell der Dachdecker wird mit umfangreichen Service- und Schulungsleistungen versorgt. Tim Bauder weiß, wovon er spricht, wenn es um Kundennähe geht. Er selbst hat als Vorbereitung auf seine Rolle als Geschäftsführer ein eigenes Verkaufsgebiet im Außendienst betreut. Sein Bruder Jan hat die Auslandsmärkte intensiv kennengelernt und der zweite Bruder Mark hat sich im Schichtbetrieb mit den Tücken der Produktion vertraut gemacht. Dies war die Voraussetzung für einen reibungslosen Generationswechsel, der am 1. Januar 2018 vollzogen wurden. Die bisherigen Geschäftsführer Gerhard und Paul-Hermann Bauder haben sich praktisch vollkommen aus dem operativen Geschäft zurückgezogen und dem neuen Führungstrio das Kommando überlassen.
Dieses hat sich für die nächsten Jahre zum Ziel gesetzt, »beim Thema Nachhaltigkeit das beste Unternehmen unserer Branche zu werden«, so Tim Bauder. Ein Beispiel ist der Dämmstoff »BauderEco«, der zu großen Teilen auf Biomassebasis, aus recycelten und weiteren natürlichen Bestandteilen wie Muschelkalk besteht. »Das Schöne ist, dass wir mit unseren Produkten eine Lösung für die Probleme des Klimawandels haben.« Das stimmt Tim Bauder auch optimistisch, dass man trotz der gegenwärtigen Krise in der Baubranche mittelfristig weiter wachsen werde. »Der Markt wird da sein, der Gebäudebestand muss saniert, der Neubau energieeffizient gestaltet werden«, ist sich der Bauder-Geschäftsführer sicher. Und auch wenn die Zeiten unsicher sind: »Wir sind die letzten 20 Jahre nicht gewachsen, weil der Markt größer geworden ist, sondern weil wir durch unsere Arbeit Marktanteile hinzugewonnen haben. Und wir werden auch europäisch weiter wachsen. Unser Wachstum wird insbesondere aus den Regionen kommen, aber auch durch Martktanteilsgewinne in bestehenden Märkten.« Und eines spielt Bauder mit Sicherheit in die Karten: Ein sicheres und dichtes Dach über dem Kopf gehört auch in Zukunft zu den absoluten Grundbedürfnissen des Menschen.