Gute Zeiten für die Ziegelhersteller

2011 war ein gutes Jahr für die Hersteller von Mauer- und Dachziegeln hierzulande. Und auch für das laufende Jahr geht der Verband der Deutschen Ziegelindustrie von einem positiven Verlauf aus.

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Martin Roth, Hauptgeschäftsführer des in Bonn-Bad Godesberg ansässigen Verbandes, präsentiert die aktuellen Zahlen im Vorjahresvergleich, nennt die Prognosen für die nähere Zukunft und geht auf aktuelle Probleme ein, mit denen sich die deutsche Ziegelindustrie heute und in Zukunft auseinanderzusetzen hat.

Baustoff-Partner: Herr Roth, vor Jahresfrist prognostizierten Sie im Einklang mit den einschlägigen Instituten und Verbänden innerhalb der Baubranche einen weiteren deutlichen Anstieg bei den Genehmigungen im Wohnungsbau...

Martin Roth_ Es freut einen immer, wenn man mit seinen Vorhersagen richtig liegt. Insbesondere dann, wenn diese Prognosen einen positiven Inhalt hatten. Nach 15 Jahren des stetigen Niedergangs des Wohnungsbaus in Deutschland hat sich das Blatt gewendet und auch im Jahre 2012 wird es nochmals kräftige Zuwächse bei den Baufertigstellungen geben. Alle Anzeichen sprechen derzeit dafür, dass dieser Trend auch in den nächsten Jahren ungebrochen bleibt und mindestens auf dem Niveau des Jahres 2012 verharrt.

Baustoff-Partner: Ihr Verband hat in diesen Tagen seinen Halbjahresbericht 2012 vorgelegt. Wie hat sich die positive Entwicklung im Baugeschehen auf die Mitgliedsunternehmen Ihres Verbandes ausgewirkt?

Roth: In der Ziegelindustrie sind die Produktionswerte im vergangenen Jahr um ca. 15 % gestiegen. Da wegen der starken Nachfrage die Läger reduziert wurden, dürfte der tatsächlich erzielte Umsatz noch etwas darüber liegen. In absoluten Zahlen ausgedrückt bedeutet dies, dass der Dachziegelumsatz sich schon wieder in die Nähe der Rekordmarken zu Ende der 90er und Beginn der 2000er Jahre bewegt.

 »Dachziegelhersteller profitieren von starker Renovierungstätigkeit«


Baustoff-Partner: Worin sehen Sie die Hauptfaktoren für die derzeit positive Situation, in der sich vor allem die Hersteller von Dachziegeln befinden?

Roth: Wesentlich zu dieser guten Entwicklung beigetragen hat zum einen die Tatsache, dass die Dachziegelhersteller von der starken Renovierungstätigkeit, auch ausgelöst durch die von der Politik gewünschte und unterstützte Dämmung der Gebäudeaußenhülle, profitieren konnten. Zum anderen ist es gelungen, den Wettbewerbsprodukten, insbesondere dem Betondachstein, kontinuierlich Marktanteile abzunehmen.

Baustoff-Partner: Worauf führen Sie den Zuwachs an Marktanteilen gegenüber dem Betondachstein zurück?

Roth: Das hat mehrere Ursachen. Zum einen ist in den letzten 20 Jahren eine Verschiebung vom Neubau hin zur Renovierung erfolgt und eine relative Erhöhung des Ein- und Zweifamilienhausbaus bei einer Verminderung des Mehrfamilienhausbaus. Zum anderen hat sich – auch wegen der modernen Produktionsanlagen in der Dachziegelindustrie – der Preisabstand zwischen den Produkten verringert. Diese Tendenzen haben also schon aus objektiven Gründen zu einem Marktzuwachs geführt. Dazu kommt noch der subjektive Grund_ die langanhaltende Schönheit der keramischen Oberfläche von Tondachziegel, die heute in vielen Farben, natur, engobiert oder glasiert, je nach Wunsch zur Verfügung stehen.

Baustoff-Partner: Wie stellt sich die gegenwärtige Situation bei den Produzenten von Mauerziegeln dar?

Roth: Von einer positiven Situation, wie sie derzeit bei den Dachziegelherstellern festzustellen ist, sind die Mauerziegelhersteller noch weit entfernt. Ihre Absatzzahlen sind fast auf ein Viertel dessen eingebrochen, was Mitte der 90er Jahre erzielt werden konnte. Nun gehen die Produktions- und auch Verkaufszahlen wieder nach oben, allerdings von einem sehr, sehr niedrigen Niveau. Aufgrund der fast hundertprozentigen Kopplung an den Neubau hatte der Einbruch der Wohnungsfertigstellungszahlen von knapp 700.000 Einheiten auf etwa 150.000 Einheiten auch unmittelbare Auswirkungen auf den Verkauf von Mauerziegeln. Entsprechend profitieren diese Hersteller dann auch davon, wenn mittelfristig – wie prognostiziert – diese Fertigstellungszahlen auf 250.000 bis 300.000 Einheiten jährlich wachsen werden. Bereits aus diesem Zahlenvergleich mit der Vergangenheit sieht man, dass noch viel Luft nach oben ist und bei weitem noch keine Blase im Wohnungsbau entsteht.

Baustoff-Partner: Aus welchen weiteren Tatsachen leiten Sie Ihre positiven Aussagen für die Zukunft des Wohnungsbaus ab?

Roth: Noch immer haben wir einen großen Zuwachs an neuen Haushalten und im vergangenen Jahr ist übrigens auch – entgegen aller Vorhersagen – die Zahl der Einwohner in Deutschland wieder gewachsen. Die günstigen Prognosen für den Wohnungsbau lassen sich auch ganz einfach daraus herleiten, dass bislang im Wesentlichen »Reiche« für »Reiche« gebaut haben und bauen. Also entweder für sich selbst oder für wohlhabende Mieter, die es sich leisten können, 10 Euro und mehr je Quadratmeter zu bezahlen. In dieser Höhe rechnet sich der Mietwohnungsbau auch ohne weitere Maßnahmen.

Baustoff-Partner: Ganz aktuell sprechen Experten derzeit von einer künftigen Wohnungsnot in Deutschland. Stimmen Sie diesen Aussagen zu?

Roth: Bereits heute ist absehbar, dass für die nicht so begüterten Bevölkerungsschichten eine neue Wohnungsnot entstehen wird. Offensichtlich ist dies in den prosperierenden Ballungszentren Deutschlands, aber auch etwa in den Universitätsstädten der Fall. Dabei nützt es auch nichts, wenn etwa im Osten der Republik oder auch im Ruhrgebiet in weiten Gebieten ein Überschuss an Wohnungen besteht. Mittlerweile hat wohl auch die Politik dieses Dilemma erkannt und da auch der Mieterbund schon heftig auf die Missstände hinweist, wird eine staatliche Unterstützung des Mietwohnungsbaus nicht mehr allzu lange auf sich warten lassen.

Dabei ist es insbesondere Aufgabe der Aktion »Impulse für den Wohnungsbau« der Politik zu vermitteln, dass die erforderliche Erhöhung der degressiven Abschreibung keine Subvention ist, sondern lediglich eine teilweise Stundung der Steuerschuld, die dem Investor kurzfristig hilft, dem Staat aber langfristig genau den gleichen Ertrag bringt.

»Müssen den Marktanteil unserer Produkte bei größeren Objekten steigern«


Baustoff-Partner: Sollte es in absehbarer Zeit tatsächlich zu einer staatlich geförderten Stärkung des Mietwohnungsbaus kommen – was hätten Ihre Verbandsmitglieder davon? Wird doch in diesem Segment eher – um es vorsichtig zu sagen – kostengünstig gebaut?

Roth: Die abzusehende Stärkung des Mietwohnungsbaus wird dazu führen, dass anteilsmäßig weniger Ein- und Zweifamilienhäuser und mehr Mehrfamilienhäuser gebaut werden. In diesem Marktsegment ist die Ziegelindustrie, egal ob Dach- oder Mauerziegel, nicht so gut aufgestellt. Hier muss es oberstes Ziel der gemeinsamen Anstrengungen sein, den Marktanteil unserer Produkte bei größeren Objekten des Wohnungsbaus zu erhalten und wenn möglich zu steigern.

Baustoff-Partner: Wie könnte das gelingen?

Roth: Hier wie auch im öffentlichen bzw. Wirtschaftsbau liegt auch eine große Chance für die zweischalige Bauweise. Wie die Ergebnisse des Fritz-Höger-Architektur-Preises gezeigt haben, sind mit dieser Backstein-Architektur wunderschöne Ergebnisse zu erzielen. Aufgrund der Anstrengungen in den letzten fünf Jahren ist es gelungen, die Architekten wieder mehr für das schöne und langlebige Produkt Backstein zu interessieren. Es bleibt zu hoffen, dass diese Anstrengungen sich auch in deutlich zunehmenden Verkaufszahlen bemerkbar machen. In den einschlägigen Fachabteilungen der zuständigen Ministerien scheint diese Einsicht jedoch noch nicht angekommen zu sein. Hier träumt man immer noch von »Wohnmaschinen«, deren Selbstzweck es zu sein scheint, mit jedem Mittel Energie zu sparen oder sogar noch für das vor der Tür stehende Elektroauto zu produzieren.

Baustoff-Partner: Wie könnte denn der Gegenentwurf der Ziegelindustrie gegenüber den »entmenschlichten Wohnmaschinen« aussehen?

Roth: Die Bewohner dieser Wohnformen haben sich dem Diktat der Energieeinsparung um jeden Preis zu unterwerfen, auf ihre Bedürfnisse wird so gut wie keine Rücksicht genommen. Hier ist es die Aufgabe der Ziegelindustrie, diesem menschenfeindlichen Bauen einen Gegenentwurf gegenüberzustellen: ein gemütliches, auf den Nutzer zugeschnittenes Bauwerk, im besten Sinne des Wortes nachhaltig. Wir müssen zeigen, dass auch Gebäude mit Mauer- und Dachziegeln energieeffizient, aber gleichzeitig nutzerfreundlich sind.

Baustoff-Partner: Stichwort Energie- und Rohstoffpreise – fühlen Sie sich hier von der Politik im Stich gelassen?

Roth: Auch wenn die Marktlage für unsere Produkte tendenziell gut ist, so betrachten wir doch mit Sorge, wie die Produktion von Ziegeln in Deutschland weiter erschwert und verteuert wird. Zwar verweisen die Politiker in Sonntagsreden gerne darauf, wie erfolgreich Deutschland aus der letzten Finanzkrise herausgekommen ist, weil der Industrieanteil im Vergleich zu anderen Ländern hoch ist.

In der täglichen Praxis wird aber alles getan, um die Industrie, insbesondere die energieintensiven Branchen, aus Deutschland zu vertreiben. Steigende Gas- und vor allem Stromkosten belasten die Unternehmen, vor allem durch die extrem angewachsene EEG-Umlage.

Dabei ist es nur ein kleiner Trost, dass es gelungen ist, einzelne große Stromverbraucher auch in der Ziegelindustrie teilweise von dieser Umlage zu entlasten.

Weiteres Ungemach kommt aus Brüssel. Da wegen der schlechten Weltwirtschaftslage ein Überfluss an CO2-Zertifikaten absehbar ist, ist der Preis deutlich auf unter 10 Euro je Tonne gefallen. Diese Preisentwicklung wird von einem großen Teil der Umweltpolitiker nicht akzeptiert und anstelle eines freien Spiels der Kräfte in einem CO2-Zertifikate-Markt soll durch staatliche Eingriffe der Preis nach oben geschraubt werden.

Entweder will man die Reduktionsziele verschärfen oder gar eine bestimmte Zahl von Zertifikaten aus dem Markt nehmen, um den Preis nach oben zu treiben. Gemeinsam mit unserem europäischen Dachverband und den anderen betroffenen Branchen werden wir versuchen, dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten.

Baustoff-Partner: Was steht auf der Agenda, damit Ziegel weiterhin zukunftsfähig bleiben und ihre Produktion in Deutschland langfristig profitabel sein wird?

Roth: Wir haben in Deutschland die technisch ausgereiftesten Produkte, die in immer noch relativ modernen Produktionsanlagen gefertigt werden. Trotzdem müssen sich die Hintermauerziegelhersteller auch in Zukunft den Anforderungen des Wettbewerbs stellen und ihre Produkte weiterhin in ihren Eigenschaften wie z. B. Wärme- und Schallschutz verbessern.

Demgegenüber sind die Produzenten von Dachziegeln, Vormauerziegeln und Klinker eher in der Pflicht, ihre Ziegel den sich immer wieder ändernden optischen Erwartungen der Bauherren anzupassen. Allen Unternehmern gemeinsam ist es, dass sie auch noch mit der ständigen Aufgabe konfrontiert sind, ihre Produkte noch energieeffizienter zu fertigen. Die Ziegeleien in fünfzehn Jahren werden somit kaum noch mit denen zu vergleichen sein, die derzeit unsere schönen Produkte herstellen.

- Gerd Rottstegge -
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