Branche muss attraktiver werden_ Bündnis für den Bau-Nachwuchs

Der Bau befindet sich hierzulande derzeit in einer prosperierenden Phase. Die Auftragsbücher der Unternehmen sind voll, die Perspektiven für Hersteller, Baustoffhandel und das Bauhandwerk sind so positiv wie lange nicht. Und dennoch scheint es der Branche an Attraktivität zu fehlen. Deutschlands führender Baustoffhändler, die Saint-Gobain Building Distribution (SGBDD) hat – gemeinsam mit seinem Kundenbeirat – die Idee eines »runden Tisches« auf den Weg gebracht, der allen am Bau Beteiligten ein Forum bieten soll, auf dem nach unternehmensübergreifenden Lösungen gesucht wird.

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Gemeinsam mit Top-Entscheidern aus der Baubranche sollen diese dann umgesetzt werden. Namhafte »Mitstreiter« aus den Reihen der Bauunternehmen sind unter anderem Andreas Klaß, Geschäftsführer Heinz von Heiden GmbH Massivhäuser, und Udo Berner, Geschäftsführer Wolff & Müller Holding GmbH & Co. KG.

Wie sehen mögliche Lösungsansätze aus, um das Nachwuchsproblem am Bau in den Griff zu bekommen? SGBDD-Geschäftsführer Dieter Babiel, Andreas Klaß und Udo Berner beantworten die Fragen der Redaktion.

 

Baustoff-Partner: Herr Babiel, die von Ihrem Unternehmen auf den Weg gebrachte Initiative »5-Sterne Arbeitgeber in der Baubranche« soll noch in diesem Jahr mit einer konkreten Zielgruppenansprache an den Start gehen. Welche Zielgruppen haben Sie dabei im Visier?

Dieter Babiel_ Im Fokus sind alle Unternehmen – und hier die Top-Entscheider – rund um die Baubranche_ Bauunternehmen, Baustoffhändler, Produzenten und auch die Verbände. Die einzige Voraussetzung ist_ Jeder muss aktiv mitmachen, mitgestalten und auch »etwas einbringen« wollen. Dazu gehören auch die finanziellen Mittel, denn nur so können wir gemeinsame Aktivitäten voranbringen.

Baustoff-Partner: Woran leidet das Image der Bauberufe?

Babiel: Die Versäumnisse sehe ich der Vergangenheit. Mangels positiver Initiativen ist ein eher negatives Image entstanden_ Bauberufe seien schmutzig und im Winter stehe man ohne Arbeit da. Doch dabei trägt unsere Baubranche maßgeblich zur Zukunftsgestaltung bei. Aber auch die jungen Leute machen sich gern die Hände schmutzig, wenn die dahinter stehende Arbeit sinnvoll und zu einer nachhaltigen positiven Entwicklung beiträgt. Wenn man stolz auf das Geschaffene ist und weiß, was sein Anteil daran ist. So etwas vermittelt man gern anderen weiter.

Baustoff-Partner: Herr Klaß, wie spüren Sie den Nachwuchs- bzw. Fachkräftemangel in Ihrem Unternehmen?Andreas Klaß: Wir spüren das fehlende Interesse von Schülern an Berufen in der Baubranche sehr deutlich – zumindest im klassischen Ausbildungszweig. Im Gegensatz dazu ist der Zulauf beim dualen Studium, Bachelor of Arts in Business Administration (FH) in Kooperation mit der Hannoveraner Leibniz FH School of Business, sehr groß. Zukünftig planen wir ebenfalls, das duale Studium im Bereich Bauingenieurwesen anzubieten. Dadurch können wir langfristig unseren Bedarf an eigenem Fachpersonal decken. Denn auch die Bewerbungen von Fachkräften sind dramatisch zurückgegangen.

Auch machen wir die Erfahrung, dass es schwierig ist, wirklich gute und verlässliche Handwerker zu finden. Und diese sind für uns von enormer Bedeutung, denn wir haben das Ziel, Bauzeiten und Termine stets einzuhalten und Verzögerungen durch schlecht qualifizierte und unzuverlässige Handwerker zu vermeiden. Wenn nur einer unserer Partner ausschert und schlechte Arbeit abliefert, geht dies gleich zulasten der Kundenzufriedenheit. Aktuell bewerten 98 % unserer Kunden unsere Leistungen mit gut bis sehr gut.

Baustoff-Partner: Herr Berner, wie stellt sich die Situation des Nachwuchs- bzw. Fachkräftemangels bei der Wolff & Müller Holding dar?Udo Berner_ In diesem Jahr haben wir zwei bis drei kaufmännische Auszubildende für die W&M Holding gesucht. Wir hatten relativ viele Bewerbungen, und auch die Anzahl qualifizierter Bewerber war unserer Meinung nach zufriedenstellend. Anders sieht es bei den ausgebildeten Fachkräften aus_ Wir suchen händeringend nach Facheinkäufern und Projekteinkäufern mit Erfahrung im Bausektor. Außerdem suchen wir einen Bauingenieur sowie einen Bauphysiker.

Baustoff-Partner: In welchen Bereichen Ihres Unternehmens ist der Fachkräftemangel besonders eklatant?

Berner: Insgesamt verzeichnen wir in unserem Unternehmen einen Fachkräftemangel im Bereich des Bauingenieurwesens (Bauleiter). Außerdem suchen wir ständig gute und erfahrene Poliere.

Baustoff-Partner: »Handwerk hat goldenen Boden« – so sagte man doch immer... Was ist da in den letzten Jahren aus Ihrer Sicht schiefgelaufen?

Klaß: Ich bin immer noch der Meinung, dass das Handwerk goldenen Boden hat. Nur in den letzten Jahren, insbesondere bedingt durch die Wirtschaftskrise, die fortschreitende Talfahrt der Baubranche und damit verbundene Entlassungen vom gewerblichen Personal, gab es für viele Handwerker keine Perspektiven mehr. Heute bietet sich aus meiner Sicht definitiv eine solide und zukunftsweisende Ausbildung im Handwerk an, denn unsere Branche hat allen Widrigkeiten getrotzt.

Nicht nur der Arbeitsplatz in einem guten Fachunternehmen, sondern auch die attraktive Selbstständigkeit ist im Handwerk möglich.

In diesem Zusammenhang sollte sich die Politik über geeignete Programme Gedanken machen, die den Handwerkern interessante Perspektiven bieten, denn die körperliche Leistungsfähigkeit nimmt im Laufe des Alters bekanntlich ab.

Baustoff-Partner: Ist neben dem Handwerk auch der Baustoff-Fachhandel von dieser Entwicklung betroffen?

Babiel: Eindeutig ja. Sonst hätten wir diese Initiative nicht gestartet. Wir verzeichnen rückläufige Zahlen bei den Bewerbungen um Ausbildungsplätze, zeitgleich sinkt die Qualifikation der Bewerber. Auch bewerben sich zu wenige Frauen, und das gilt auch für Führungspositionen. Eine Trendumkehr ist hier gefordert.

Baustoff-Partner: Es gibt ja bereits die ZDH-Imagekampagne »Das Handwerk – die Wirtschaftsmacht von nebenan«. Worin unterscheidet sich Ihre Initiative? Was wollen Sie anders machen?

Babiel: Wir zielen direkt und konkret ausschließlich auf alle Gewerke »rund um den Bau« ab. Weil wir es sicher nötiger haben als andere Handwerksberufe. Wir sehen uns daher als Ergänzung zur ZDH-Kampagne.

Und wir sind natürlich getrieben von unseren ureigensten Unternehmensinteressen – ohne dabei die Verbände auszuklammern. Aber es soll deutlich werden, dass hier die konkreten Interessenlagen der Arbeitgeber »rund um den Bau« an erster Stelle stehen.

Baustoff-Partner: Was erhoffen Sie sich von der gemeinsamen Initiative?

Klaß: Wir wollen dem Bausektor im Allgemeinen und den Handwerksberufen im Besonderen zu neuem Glanz verhelfen und ihn wieder attraktiv für den Nachwuchs und Fachkräfte machen. Das Image hat in den letzten Jahren zu Unrecht gelitten und wir möchten es gemeinsam wieder stärken.

Baustoff-Partner: Welche Botschaften wollen Sie mit dieser Initiative an potentielle Interessenten richten?

Berner: Wir wollen damit vor allem eines deutlich machen_ Als zukunftsorientiertes, mittelständisches Unternehmen mit hohen Innovationsinhalten bieten wir Interessenten exzellente Perspektiven.

Baustoff-Partner: Was sollen, was können die einzelnen Netzwerkpartner entlang der gesamten Wertschöpfungskette am Bau hier leisten?

Ziel ist die Schaffung und Nutzung von Synergien in Bezug auf die Kette »Produktion – Handel – Verarbeiter«. Wir wollen Know- how-Transfers sichern und gemeinsame Qualifikationsplattformen schaffen.

 

SGBDD beschäftigt rund 5 500 Mitarbeiter in bundesweit über 250 Niederlassungen und erwirtschaftete 2011 als führender Baufachhändler einen Rekord-Umsatz von 2 Mrd. €.

 

Die Unternehmensgruppe Heinz von Heiden aus Isernhagen bei Hannover entwirft, plant und baut Massivhäuser – mehr als 41000 Einheiten konnten bisher errichtet werden. Mit dieser hohen Anzahl und einem konstanten Marktanteil von 3 % zählt Heinz von Heiden schon seit vielen Jahren zu den Branchenführern Deutschlands. Cirka 300 Mio. € Verkaufsumsatz verbuchte die Firma im vergangenen Jahr. An der Firmenzentrale und den drei weiteren Standorten Blankenheim, Kuppenheim und Mainburg beschäftigt die Unternehmensgruppe ca. 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Seit 2010 hat sich die Projektentwicklung von Geschosswohnungsbauten als ein weiterer erfolgreicher Geschäftszweig in der Unternehmensgruppe etabliert.

 

Die Wolff & Müller Gruppe gehört zu den führenden Bauunternehmungen in Deutschland in privater Hand. Seit der Gründung 1936 ist Wolff & Müller ein traditionsbewusstes, mittelständisches Familienunternehmen mit Hauptsitz in Stuttgart. Das Geschäftsfeld Bau gliedert sich in die operativen Gesellschaften Regionalbau, Spezialbau sowie Tief- und Straßenbau. Zum Geschäftsfeld Beteiligungen zählen Baustoff- und Rohstoffaktivitäten, Immobilien sowie baunahe Dienstleistungen. Zwischen den einzelnen Sparten finden ständig Know-how-Transfers statt.

 

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