August 2016

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»Baustellen«


Die Bauwirtschaft wird auch in diesem Jahr wieder die Rolle der Konjunkturlokomotive in einem insgesamt schwächelnden gesamtwirtschaftlichen Umfeld übernehmen. Ein akuter Bedarf an zusätzlichem Wohnraum ist nach Einschätzung des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie eine der Triebfedern, die für ein Umsatzwachstum von 3,5 Prozent im deutschen Bauhauptgewerbe sorgen werden. Dennoch ist nach wie vor der Wohnungsbau eine der größten politischen »Baustellen« hierzulande, denn der Neubau von Wohnungen müsste um rund 50 Prozent gesteigert werden, um die Zielmarke von den in diesem Jahr benötigten neuen 400 000 Wohnungen zu erreichen.
Von diesem Ziel sind wir allerdings weit entfernt, denn Bund, Länder und Kommunen haben ihre »Hausaufgaben« längst noch nicht gemacht. Der Wohnungsneubau komme nicht in Gang, weil der Staat ihm die notwendigen Impulse nicht gebe, hieß es auf dem 8. Wohnungsbau-Tag in Berlin. So kommt die auf dem Branchen-Gipfel vom Institut für Wohnungswesen, Immobilienwirtschaft, Stadt-und Regionalentwicklung (InWIS) der Ruhr-Uni Bochum präsentierte politische »To-Do-Liste« zu dem Ergebnis, dass bundesweit pro Jahr rund 60 000 Wohnungen im mittleren Preissegment neu gebaut werden müssen. Hierfür sind neue Förderinstrumente erforderlich, denn bezahlbare Wohnungen sind in Groß-und Universitätsstädten selbst für Mittelschichthaushalte längst knapp geworden. Eine besondere Herausforderung sieht das Bochumer Institut darin, Flüchtlinge und Asylbewerber, die dauerhaft in Deutschland bleiben, angemessen mit Wohnraum zu versorgen – und zwar so, dass deren aktive Integration in die Stadtquartiere erfolge.
Zum Thema Flüchtlinge – und somit zu einer weiteren »Baustelle« – äußerte sich in diesen Tagen auch Rainer Langelüddecke, Geschäftsführer des Fachverbandes Werkzeugindustrie, in einem – wie er ausdrücklich betont – sehr persönlichen Aufruf. Die Flüchtlinge hätten eine Zukunftserwartung, die wir mit den derzeitig zur Verfügung stehenden Mitteln nicht erfüllen könnten. Neben dem Spracherwerb sei insbesondere die Berufsausbildung der Schlüssel für die Zukunft. Langelüddecke fordert in diesem Zusammenhang eine Änderung der Berufsausbildung. Hierzu seinen »erhebliche Tabubrüche« erforderlich. Es bestehe die Chance, aus den derzeit rund 600 000 Flüchtlingen unter 25 Jahren eine stattliche Anzahl zu qualifizieren. Fakt ist aber nun einmal, dass etwa 400 000 dieser jungen Leute funktionale Analphabeten sind, im Bildungsschnitt rund vier Jahre hinter deutschen Schulabgängern. Auf der Hand liegt, dass sie keine traditionelle deutsche Lehre meistern können. Abbrecherzahlen in Handwerksberufen mit Quoten von über 70 Prozent sprechen eine traurige Sprache. Die herkömmliche Lehrberufsausbildung tauge daher nicht für die niedrige Qualifikation, die ein Großteil der Flüchtlinge mitbringt. Der Vorschlag lautet daher, sich hier vom herkömmlichen Bild der Berufsausbildung zu lösen. Es sei Sache der Wirtschaft, Veränderungen vorzuschlagen und einzufordern. Gewerkschaften, Verbände, die Industrie- und Handelskammer, die Handwerkskammern, die Bundesagentur für Arbeit müssten sich zusammentun und neue Wege denken_ Teilzeitausbildung, die gestuften Qualifikationsziele der Ausbildungsstufen und eine Kombination von Ausbildungsvergütung und Arbeitslohn seien alternative Schritte für eine bedarfsgerechte Qualifikation der jungen Flüchtlinge. Die Teilzeitausbildung müsse für junge Leute finanziell attraktiver gestaltet sein als eine reine Hilfsarbeit oder die Sozialhilfe. Da ist also noch viel zu tun...
Abschließend ein paar Worte »in eigener Sache«: Nach sieben Jahren verlasse ich den SBM Verlag, um mich neuen Aufgaben zu widmen. Es waren sieben abwechslungsreiche, spannende und erfolgreiche Jahre. Vor allem auch dank Ihrer engen Zusammenarbeit mit uns und aufgrund Ihres kontinuierlichen, konstruktiven Feedbacks ist es uns gelungen, den Baustoff-Partner weiter zu entwickeln und seine Position im Markt zu festigen. Daher von meiner Seite aus ein herzliches Dankeschön für Ihr langjähriges Vertrauen, das Sie dem Baustoff-Partner auch künftig entgegenbringen mögen.

Herzliche Grüße

Gerd Rottstegge
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