Zwei konträre stilistische Epochen – in Harmonie vereint

Die in den Jahren 1922/23 von Hans und Wassili Luckhardt sowie Franz Hoffmann errichtete »Villa Buchthal« gilt als eines der wenigen Beispiele des Expressionismus in der ­Berliner Architektur. Schon wenige Jahre nach der Fertigstellung wandelte sich das Gebäude zum Stil der Neuen Sachlicht, um dann in der Zeit des Faschismus, den wirren des Zweiten Weltkriegs und der Teilung Berlins sprichwörtlich in eine unspektakuläre Vergessenheit zu geraten. Erst eine Sanierung im Jahre 2015 brachte die besondere Geschichte wieder ans Tageslicht. Heute vereint die Villa Buchthal Elemente sowohl aus Expressionismus als auch aus der Neuen Sachlichkeit zu einem harmonischen Gesamteindruck. Dazu trägt auch die außergewöhnliche Farbwahl mit Produkten der Caparol-Marke »Histolith« bei.

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Im Berlin der 1920er-Jahre ließ das Ehepaar Thea und Eugen Buchthal eine Villa errichten, die inmitten der zurückhaltenden Gebäude des umgebenden Westends wie ein Raumschiff gewirkt haben muss. Kristalline Formen, markige Ecken und schneidige Kanten an Gebäude und Mobiliar. Leuchtende Farben und erlesene Kunst überall, das Ganze eingerahmt von einem nicht minder auffälligen Garten_ Mit dem »Haus Buchthal« erschufen die Brüder Wassili und Hans Luckhardt und ihr Büropartner Franz Hoffmann ein Glanzstück des Expressionismus. Doch das Leben in dem Gesamtkunstwerk war für die Buch­thals und ihre drei Kinder schwierig_ Die repräsentativen Räume waren riesig, die Privatgemächer der Familie viel zu klein. Es dauerte kaum fünf Jahre, bis die Eheleute den Entschluss fassten_ Das Haus wird umgebaut!
Sie beauftragten Ernst Ludwig Freud, Sohn des berühmten Psychoanalytikers. Er orientierte sich an den Ideen der Bauhaus-Bewegung und gestaltete das Objekt grundliegend um – hin zum Stil der Neuen Sachlichkeit. Freud vereinfachte die Grundrisse und setzte ein zweites Geschoss auf die Dachterrasse, um den Bewohnern mehr Platz zu verschaffen. Das Haus kam nun schlicht und hell, geradlinig und zurückhaltend daher.
Lange erfreuen konnten sich die Buchthals an ihrer Villa jedoch nicht. Die politische Entwicklung im Deutschland des Nationalsozialismus zwang die jüdische Familie ins Exil. Nach dem Krieg lebten Studenten zur Miete in dem Haus, einer von ihnen Lied- und Opernsänger Dietrich Fischer-Dieskau: Er erwarb das Haus, das im Laufe der Zeit etliche weitere Umbauten erfuhr. Fast 50 Jahre lang blieb es in seinem Besitz, seine Geschichte geriet in Vergessenheit.

Falscher Bauhaus-Stil
Im Jahr 2015 wurde Ursula Seeba-Hannan stutzig_ Mit ihrem Unternehmen, der LenzWerk Holding, sollte sie das unspektakuläre, sanierungsbedürftige Gebäude renovieren. Die alten Grundrisse des Gebäudes von 1922 und 1928 wollten so gar nicht zu dem Haus passen, das sie in Berlin vor sich sah. »Ich dachte, das Haus könnte aus den 1960er-Jahren stammen. ›Falscher Bauhaus‹, das war mein erster Eindruck. Die Grundrisse haben aber schnell gezeigt, dass da etwas anderes dahintersteckt«, erinnert sie sich. Mit den neuen Besitzern recherchierte Seeba-Hannan in Archiven und brachte so die Geschichte der Villa Buch­thal zurück ans Licht.

»Was will das Haus? Was will der Raum?«
»Der Anspruch war, dem Haus und seiner Vergangenheit genauso gerecht zu werden wie den Ansprüchen seiner heutigen Bewohner. Ich bin deshalb durch das Objekt gegangen und habe mich gefragt_ ›Was will das Haus? Was will der Raum?‹«, so Seeba-Hannan. So nahm sie sich die Grundrisse vor und ließ Wände und Einbauten entfernen, um die Räume atmen zu lassen. Sie baute von den Luckhardt-Brüdern entworfene Pergolen wieder auf, um ein harmonisches Gesamtbild mit der Terrasse zu erzielen. Tauschte die 80 vorhandenen, bunt zusammengewürfelten Fenster gegen eigens von Timm Fensterbau entwickelte, neue Fenster aus. »Die größte Herausforderung war es, ein stimmiges Gesamtwerk zu schaffen«, so die Architektin weiter. »Ich wollte keine spektakulären Einzelteile zeigen, sondern, dass es seine Bewohner und Besucher als ein Ganzes umfängt.« So präsentiert sich die Villa Buchthal heute nicht in ihrem Urzustand, sondern vereint Elemente sowohl aus Expressionismus als auch aus neuer Sachlichkeit zu einem harmonischen Gesamt-
eindruck.

Mit detektivischem Gespür zur Farbwahl

Die Farbbefundung übernahm Caparol mit einem spezialisierten Kirchenmaler und Restaurator, der mit detektivischem Gespür zu Werke ging. »Mit Skalpellen und Glasfaserradierern haben wir sogenannte Freilegetreppen angelegt und die alten Farben Schicht für Schicht herausgearbeitet«, erklärt Hans Metzger, Leiter der Caparol-Baudenkmalpflege und verantwortlich für die Marke »Histolith«. Mehr als 50 Farbtöne kamen dabei zum Vorschein, »darunter Ocker- und Grüntöne, so satt, dass sie jemanden mit dem heutigen Empfinden fast erdrücken. Die Farben waren damals vor allem künstlerisch ausdrucksstark, aber wenig wohnlich«, erinnert sich Metzger. Deshalb haben sich die Projektbeteiligten entschieden, die Farben pointierter als im ursprünglichen Entwurf der Luckhardt-Brüder einzusetzen. Das Wohnzimmer zum Beispiel ist damals wie heute in einem Grünton gehalten, der Eingangs-Treppenbereich leuchtet in der Farbe Gelb. Gezielte Schattierungen sorgen dabei für eine angenehme Raumatmosphäre.
Sowohl innen als auch außen setzte die LenzWerk Holding, die auch für die Ausführung der Malerarbeiten verantwortlich war, auf die »Histolith«-Produktgruppe aus dem Hause
Caparol. »Die Histolith-Produkte sind besonders gut für denkmalgeschützte Gebäude und Altbauten geeignet«, erklärt Caparol-Außendienstler und »Histolith«-Fachberater Lars Mutschall, der die Arbeiten betreut hat. »In solchen Objekten empfiehlt es sich, mineralische Werkstoffe zu verwenden_ ›Histolith‹-Produkte sind ausgesprochen wasserdampfdurchlässig und ermöglichen gleichzeitig die Darstellung brillanter Farbtöne.« Die Außenfassade der Villa Buchthal erstrahlt heute auf Anraten von Gabriele Gerlach vom Caparol-FarbDesignStudio in einem schlichten, nur leicht abgetönten Weiß. »Da das äußere Erscheinungsbild des Hauses zwischenzeitlich dem Bauhaus-Stil so viel näher war als dem Expressionismus, erschien uns das zurückhaltende Weiß richtig und passend«, erzählt sie.

»Wahnsinnig aufregend«

Unscheinbar wirkt die Fassade des Hauses heute dennoch nicht – im Gegenteil. Zu verdanken ist das einer großen Überraschung: Als nämlich der Bauleiter im Sturz über der Haustür eine Lampe anbringen wollte, stellte er fest_ Da geht es noch weiter. Hinter der Verschalung fand sich ein original expressionistisches Portal aus dem Jahr 1922.
»Die Phase, in der wir die Verschalung abgenommen und geschaut haben, was sich dahinter befindet, war wahnsinnig aufregend. Eigentlich wollten wir die Freud-Fassade in ihrer Schlichtheit belassen. Aber wenn man dann so etwas findet, ein echtes Kulturzeugnis, muss man es natürlich auch wieder rausholen«, schwärmt Seeba-Hannan. »Heute denken viele Passanten sogar, dass das Haus eine Kirche ist, weil es so besonders aussieht«, sagt sie und ergänzt:.» Wir sind zwar spezialisiert auf Denkmalschutzthemen – aber so etwas hatten wir wirklich noch nie.«

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