Mai 2013

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Editorial

Nur im Mittelfeld


Nachdem die ersten drei Monate auf dem Bau witterungsbedingt eingebremst wurden, schaltet die Branche im zweiten Quartal ein paar Gänge höher – gestützt durch die guten Auftragsbestände, mit denen die Bauwirtschaft in das Jahr 2013 gegangen ist_ im Wohnungsbau mit plus sechs Prozent, im Wirtschaftsbau mit plus vier Prozent und im öffentlichen Bau mit plus elf Prozent. Die für das Gesamtjahr 2013 prognostizierte Umsatzentwicklung von plus zwei Prozent kann nach Einschätzung des ZDB also trotz des langen Winters bei anhaltend positiver Auftragsentwicklung noch gut erreicht werden.
Der Wohnungsbau in Deutschland befindet sich derzeit »auf Kurs«. Die Baugenehmigungen lagen 2012 um ein Drittel höher als noch drei Jahre zuvor. Dass dies aber noch lange kein Grund zu überschwänglichem Jubel ist, zeigt ein Vergleich mit den Nachbarn. Laut einer Erhebung von Euroconstruct rückt die Bauintensität hierzulande in diesem Jahr mit 2,5 fertiggestellten neuen Wohnungen auf 1000 Einwohner unter allen 19 Ländern gerade einmal auf den Mittelplatz vor.
Bezogen auf die Bevölkerungszahl wird in nahezu allen unmittelbaren Nachbarländern deutlich mehr gebaut als bei uns. So ist zum Beispiel die Wohnungsbauintensität in Polen und Belgien um 60 % höher als hierzulande. Fast das Doppelte wird in Österreich gebaut, in Frankreich und in der Schweiz noch mehr. Gemeinhin gelten drei Wohnungen pro Tausend Einwohner in der Mitte Europas als durchaus »normal«. Aber die Finanz- und Staatsschuldenkrise hat auch beim europäischen Wohnungsbau ihre Spuren hinterlassen. So sind die früheren Wohnungsbau-Boom-Länder Irland und Spanien längst am Tabellenende angekommen.
Die Forscher vom ifo-Institut haben einen Blick in die nahe Zukunft geworfen_ Einer Prognose der Münchner Experten zufolge dürften bis 2015 die Neubauzahlen hierzulande weiter ansteigen, und zwar um rund 15 % auf 3,0 fertig gestellte Wohnungen pro 1000 Einwohner. Nach etlichen Jahren unter der Grenze von 200 000 wären es dann insgesamt 265 000 neue Wohnungen.
Um die Aufmerksamkeit der Politik stärker auf die Bedeutung des Wohnungsbaus zu lenken, legten die 25 in der Aktion »Impulse für den Wohnungsbau« zusammengeschlossenen Bau- und Immobilienverbände in diesen Tagen einen Sieben-Punkte-Katalog vor und wollen mit einer »To-do-Liste für bezahlbares und gutes Wohnen« Bund und Länder in die Pflicht nehmen. Ziel ist es, mehr bezahlbare Wohnungen zu schaffen – insbesondere in Ballungszentren, Groß- und Universitätsstädten. Darüber hinaus geht es darum, die energetische Sanierung von Wohngebäuden schneller als bislang voranzubringen und das Wohnen in Deutschland durch mehr Seniorenwohnungen demografiesicher zu machen.
Ganz oben steht dort der soziale Wohnungsbau. Hier braucht es einen neuen Schub, um den in Ballungszentren und Wachstumsregionen spürbaren Mangel an Sozial-Mietwohnungen zu bekämpfen. Neben erweiterten steuerlichen Anreizen auch für die energetische Gebäudesanierung fordern die Verbände eine deutliche Aufstockung der KfW-Förderprogramme für diesen Bereich. Außerdem soll mehr Menschen ein Altwerden in den eigenen vier Wänden ermöglicht werden, und nicht zuletzt soll der Bund bei wirtschaftlich und technisch nicht mehr sinnvoll zu sanierenden Wohnhäusern Anreize für den Abriss und den anschließenden Neubau schaffen.
Nur durch ein »beherztes Gegensteuern« seitens der Politik lassen sich diese Probleme in den Griff bekommen, so auch die Ansicht von Anton Hörl, dem Vorsitzenden des Bayerischen Ziegelindustrieverbandes, in unserer Kolumne »Nachgefragt«. Auch sein Verband sieht Handlungsbedarf auf vielen Ebenen, um eine möglichst ausgewogene Förderung von Neubauprojekten zu erzielen.

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Gerd Rottstegge
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