Ein Haus der Zukunft

Ganze zwei Jahre wurde das ­»Effizienzhaus Plus Schlagmann« in Raitenhaslach bei Burghausen auf Herz und Nieren geprüft: Erzeugt das ­konventionelle Ziegel-Einfamilienhaus, ausgestattet mit am Markt verfügbarer Haustechnik, tatsächlich mehr Energie als seine Bewohner im Jahresdurchschnitt verbrauchen können? Mit dem Abschlussbericht der TH Deggendorf wurde jetzt der Beweis erbracht_ Das Hauskonzept ist den Anforderungen der Zukunft gewachsen. Mehr noch, es ist zukunftsweisend. ­Basierend auf den Ergebnissen des Burghauser Effizienzhauses Plus wird in der schwäbischen Gemeinde Hügelshart ­(Landkreis Aichach-Friedberg) noch in diesem Jahr eine ganze Siedlung gebaut.

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Mit dem Einzug seiner Bewohner im Februar 2014 startete das zweijährige Monitoring der Hochschule Deggendorf, das eine positive Energiebilanz des Hauses unter realen Wohnbedingungen einer Familie im täglichen Betrieb unter Beweis stellen sollte. Das Ziegelhaus wurde als eines von 35 realisierten Projekten in Deutschland vom Bundesbauministerium im Rahmen der Forschungsinitiative »Zukunft Bau« gefördert und wissenschaftlich begleitet. Dabei sollte es laut Definition »Effizienzhaus Plus« mehr Energie produzieren, als für seinen Betrieb im Jahresdurchschnitt notwendig ist_ De facto heißt das, der Jahresprimärenergiebedarf (Qp) sowie der Jahresendenergiebedarf (Qe) muss negativ sein!
Basis des Energieüberschusses ist neben innovativer Energiespeichersysteme die optimale Gebäudehülle, die in traditioneller, monolithischer Bauweise und aus hochwärmedämmendem Ziegelmauerwerk erstellt wurde. Die überschüssige Energie sollte in erster Linie für die Elektromobilität zur Verfügung stehen – eine Voraussetzung zur Teilnahme am Programm. Dafür haben die Forscher der TH Deggendorf um Raphaela Pagany, Josef Pauli und Prof. Dr. Wolfgang Dorner während der Evaluierungsphase an 120 Messstellen im Haus kontinuierlich alle Verbrauchs- und Umweltdaten des Hauses genau aufgezeichnet, zogen Vergleiche von prognostiziertem Wärme- und Strombedarf zur realen Nutzung.
Am Ende lautet ihre Bilanz in Kürze: Im ersten wie auch im zweiten Monitoringjahr ist sowohl die elektrische als auch die thermische Energieerzeugung bilanziell deutlich höher als die verbrauchte Wärme- und Strommenge. Im zweiten Jahr ist der elektrische Eigenversorgungsanteil mit 61 % sogar noch höher als im ersten Jahr. Es wurde also mehr Strom und Wärme erzeugt als verbraucht. Das Elektroauto erwies sich als konstanter und zuverlässiger Stromabnehmer.Klimaschutz und Wohngesundheit
Das konventionelle Einfamilienhaus mit Keller und Garage ist in zweierlei Hinsicht eine Besonderheit_ Es verbindet Klimaschutz und Wohngesundheit mit regionaltypischer Bauweise auf höchstem Niveau_ Ein schlichter weißverputzter, zweigeschossiger Baukörper, ein Keller über die gesamte Grundfläche, ein naturrot eingedecktes, 44 Grad geneigtes Satteldach. Die Ausrichtung erfolgte aufgrund einer höheren solaren Gewinnung nach Süden. Ebenso orientieren sich die Wohnräume gegen Süden. Die Wohn- und Aufenthaltsräume befinden sich im Erd-, die Schlafräume und das Bad im Obergeschoss. Die Garage steht an der Grundstücksgrenze, im Abstand leicht versetzt zum Haus.Ziegel als Erfolgsgarant
Die Gebäudehülle des Hauses hat sich während der zweijährigen Testphase mehr als bewährt: Sie wurde in traditioneller Bauweise aus massivem, monolithischem Ziegelmauerwerk errichtet und dient mit ihrer Speichermasse als großes Energiedepot. Der verwendete Ziegelstein »Poroton-T7« von Schlagmann Poroton besteht aus einem massiven, stabilen Ziegelgerüst mit einem Kern aus hochwärmedämmendem Perlit, einem natürlichen Gestein vulkanischen Ursprungs. Der Ziegel verfügt über einen Wärmeleitwert (Lambdawert) von 0,07 W/mK und erreicht bei der ausgeführten Wandstärke einen Wärmedurchgangskoeffizient (U-Wert) von 0,14 W/(m²K). Die Innenwände wurden ebenfalls aus speicherfähigem Ziegelmauerwerk errichtet; die Geschoßdecken in Stahlbeton hergestellt. Für die eingebauten Fenster wurde eine Holz-Alu-Konstruktion mit dreifacher Wärmeschutzverglasung und Dämmkammertechnologie verwendet.

Wärmebrücken ausgeschlossen
Um Wärmeverluste umfassend zu vermeiden, wurden alle Details wärmebrückenoptimiert ausgeführt (Uw,b = 0,007). Gerade die Standarddetails wie Deckenauflager, Sockel und Fenster wurden mit Lösungen aus dem Schlagmann Produktportfolio wie der Poroton-Deckenrandschale oder Poroton-WDF sicher und praxisnah ausgeführt. Ein einheitlicher Ziegelputzgrund und eine mineralische Putzschicht sorgen zudem für eine fehlerfreie und luftdichte Ausführung der Gebäudehülle.
Bei der Auswahl der Baumaterialien wurden hohe Qualitätsmaßstäbe angesetzt. Neben Lebensdauer und Wertbeständigkeit wurde größter Wert auf eine hohe Emissionsarmut gelegt. Das »Effizienzhaus Plus Schlagmann« wurde streng nach Kriterien der Wohngesundheit errichtet sowie mit einer dezentralen Lüftungs­anlage mit Wärmerückgewinnung ausgestattet.Energiegewinnung und -verbrauch
Für das Plus an Energie sind Photovoltaikanlage und Solarthermie zur Strom- und Wärmegewinnung in Verbindung mit innovativen Energie­speichersystemen in Form einer Lithium-Eisenphosphat-Batterie und eines Wasserspeichers zuständig. Ein innovatives Strommanagement sorgt dafür, dass der Strombedarf des Hauses für Haushalt und Gebäudetechnik, so weit wie möglich durch den Solarstrom aus der Photovoltaik­anlage gedeckt wird.
Das Konzept zur Wärmespeicherung bedient sich zweier Strategien. Zum einen wird die gewonnene Sonnenenergie als Wärme in der Baukonstruktion, vor allem in den massiven Ziegelwänden, gespeichert, zum anderen in einem Wasserspeicher_ Die Heizverteilung im Gebäude erfolgt über Flächenheizung und Bauteilaktivierung, damit ist eine kurzzeitige Wärmespeicherung über die Bauteilmassen möglich. Die Wärmebereitstellung geschieht über eine große thermische Indach-Solaranlage mit saisonalem Wärmespeicher: 51 m² solarthermische Kollektoren auf dem Süddach ernten Sonnenenergie, die direkt ins Heizsystem eingespeist oder in die Betondecken eingespeichert wird. Überschüssige Sonnenenergie wird in einen zweiteiligen Schichtenspeicher von 48 m³ Wasser eingelagert und bedarfsgerecht über eine innenliegende Wärmepumpe mit Wärmetauscher an das Gebäude abgegeben. Dabei ergab sich eine Arbeitszahl für das Gesamtsystem von hervorragenden 7,4 im ersten und 10,7 im zweiten Messjahr. Auch das Warmwasser wird über einen Wärmetauscher aus dem Schichtenspeicher entnommen. Insgesamt wurde so eine direkte solare Deckung der Wärme von 90 bzw. 94 % erreicht.
Zur Stromerzeugung sind auf dem südlichen Hausdach 15 Indachmodule (32 m² mit einer Leistung von 4,2 kWp) einer Photovoltaik-Anlage installiert. Auf dem Dach der Garage wird mit einer zusätzlichen Photovoltaik-Anlage prognostiziert Strom von ca. 5 800 kWh pro Jahr gewonnen. Ingesamt wurde während des Monitorings im ersten Jahr Strom in einer Höhe von ca. 10 176 kWh (Kilowattstunden) pro Jahr erzeugt, im zweiten 10 563 kWh/Jahr – mehr als ingesamt verbraucht wurde. Eine Hochleistungsbatterie auf Basis von Lithium-Eisenphosphat mit einer schnellen Ladezeit und hohen Zyklenzahl ist als Tagesspeicher integriert. Ein hauseigenes Energiemonitoring steuert bedarfsorientiert alle Anlagen automatisch und sorgt so für eine optimale Solarstromnutzung. Der überschüssige Strom wurde vorrangig für das Betanken des Elektroautos, ein von Audi zur Verfügung gestellter A1 e-tron, verwendet. Die Fahrleistung betrug im ersten Jahr 6874 Kilometer, im zweiten sogar 14740.

Effizienzhaus Plus mit Serienreife
Was Bauherr Johannes Edmüller (Schlagmann Poroton) sich zu Beginn des Projektes versprach, ist in jedem Falle eingetreten. Das Konzept des »Effizienzhaus Plus Schlagmann« sollte zukünftig auch für Effizienzhäuser außerhalb von Forschungsprojekten wirtschaftlich anwendbar sein_ »Wir sind den Beweis angetreten, dass Häuser in massiver, einschaliger und wohngesunder Ziegelbauweise in Kombination mit Solartechnik, innovativen Energiespeichersystemen und effizienten Haushaltsgeräten mehr Energie erzeugen als verbrauchen. Damit kann das ›Haus der Zukunft‹ in einer nachhaltigen, massiven Bauweise vernünftig realisiert werden.« Aufbauend auf den Erkenntnissen und Erfahrungen des Forschungsprojektes in Burghausen entsteht bereits aktuell eine reine Effizienzhaus Plus-Siedlung mit neun Einfamilienhäusern und vier Doppelhaushälften des Projektpartners BayWa in Hügelshart bei Augsburg.

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